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Volltext: Monatszeitschrift VII (1904 / Heft 10)

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wir auf den gemeinsamen Boden, der das norddeutsche Haus wie das eng- 
lische ursprünglich nährte. Aber während die Entwicklung des deutschen 
Hauses in der Städtebildung seine Basis fand, ist der Nährboden des eng- 
lischen Hauses auf dem Lande zu suchen, wo aus dem Gutshof das befestigte 
Manorhouse des Landedelmannes entstand. 
Die Tendenz, sein Heim in möglichster Freiheit zu gestalten, kenn- 
zeichnet schon den mittelalterlichen Bauherrn, der das Grundrisschema des 
von vier Seiten umbauten Hofraumes feststellt. Wir finden, dass trotz der 
Eroberung des Landes durch die Normannen, die alten sächsischen Wohn- 
sitten lebenskräftiger waren als die der Eroberer, und dass der Burgbau 
der Normannen dem Wohnhausbau auf der Grundlage des Gutshofes 
weichen muss. Ein wesentliches Element der baulichen Gestaltung, die 
Halle, gleichfalls sächsischen Ursprungs, erfährt im frühen Mittelalter eine 
Blütezeit der Entwicklung, die ihren Glanz bis heute noch nicht ganz ein- 
gebüsst hat. Wenn auch die grosse und selbständige Bedeutung, die dieser 
Raum in der Zeit der ritterlichen Machtentfaltung in England besass, 
allmählig schwand, so blieb seine künstlerische Ausgestaltung insbesondere 
durch die glänzende Ausbildung des Zimmerwerkes vorbildlich und es blieb 
auch das Bedürfnis nach einem grossen Versammlungsraum im Hause 
lebendig. 
Die wichtigste und anmutreichste Periode der Entwicklung des Heims 
fällt unmittelbar nach Ausgang der als „mittelalterlich" bezeichneten Periode 
in die Elisabethische Zeit (1550-1630). Damals entstanden die „ancient 
homes for Lord und Lady built for pleasure and for state", die noch heute 
vielfach in „Würde und Heiterkeit" dastehen. Kein dreissigjähriger Krieg hat 
sie zerstört; der Reichtum des Landes an solchen Schätzen der Wohnbau- 
kunst bewahrte es davor, selbst durch starke Stürme die Richtung gesunder 
Entwicklung ganz zu verlieren. 
Und starke Stürme brachte wohl die lange Periode „palladianischer" 
Nüchternheit für den Profanbau - die ganze zerstörende Macht akademi- 
scher Äusserlichkeit, architektonischer Phrasen. Konnte Bacon 1597 noch 
in seinen Essays über die Baukunst sagen: „I-Iäuser werden gebaut, um 
sie zu bewohnen, nicht um sie zu betrachten; man gewähre daher der 
Nützlichkeit den Vortritt vor dem Gleichmass, es sei denn, dass beide zu 
erreichen seien" - so kennzeichnet die von Inigo Jones eingeleitete Zeit 
(1630-1670) das berühmte Scherzwort Lord Chesterfields. Er gab einem 
Bewunderer der Fassade seines palladianischen Wohnhauses den Rat, 
sich ihr gegenüber ein Zimmer zu mieten, um sie gehörig geniessen zu 
können. 
Der ganze, stetig entwickelte, unmittelbar aus den Bedürfnissen aus- 
gebildeter Lebenskunst hervorgegangene Organismus des Elisabethischen 
Hauses war während dieser akademischen Zeit in einem Dornröschenschlaf 
befangen, bis der Romantizismus wieder die Wege ebnete, die zu dem 
verwunschenen Bau führten.
	        
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