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An der östlichen Schmalseite, zwischen den beiden anderen Thürmen, befinden sich die
drei auf doppeltem Sockel ruhenden Apsiden. Die untere Basis ist einfach, die obere zeigt
attische Gliederung. Die nach dem Sanctnarium und der Unterkirche gehenden Fenster der
Apsiden sind ganz einfach, verjüngen sich nach innen und haben ungegliederte Leibungen.
Auch die Wände der Apsiden waren durch keine Lisenen belebt. Hingegen zog sich unter
dem Gesimse der Apsiden ein reich ausgebildeter Rundbogenfries entlang, dessen sämmtliche
Bogen auf verschieden gestalteten, zum Theil als Thierköpfe gebildeten Tragsteinen ruhten.
Längs den nach der Unterkirche führenden Treppen und um die Eingangsöfsnung
her waren die Wände mit Reliefs bedeckt, die in schön gearbeiteten, mit Pflanzenmotiven
und Thierfiguren geschmückten Rahmen Scenen aus dem alten und neuen Testament
darstellten. Sie sind größtentheils vernichtet. Die erhaltenen Bruchstücke lassen folgende
Darstellungen erkennen: das erste Menschenpaar im Paradiese; die drei Weisen aus dem
Morgenland, in einem Prachtbette schlafend, wobei ihnen im Traume statt eines Engels
ein Krummschwert die dem neugeborenen Christus drohende Gefahr verkündet; Herodes
sieht, auf einem Thrvne sitzend, dem bethlehemitischen Kindermord zu; Maria und Josef
fliehen mit dem Kinde nach Egypten. In einer zweiten Reihe führt eine Gestalt den blinden
Simson; Simson reißt einen Baum sammt der Wurzel aus und die Vögel flüchten ans
einem auf dem Baume befindlichen Neste; Simson hebt das durch eine Säule angedeutete
Thor der Stadt Gaza aus; Simson stürzt die Säule des Palastes der Philister um.
Über der Eingangsöffnung sieht man die Hirten Geschenke darbringen; die Weisen aus
dem Osten huldigen dem neugeborenen Erlöser und statten Herodes ihren Besuch ab. Diese
Episoden aus der Geschichte des ersten Menschenpaares, Simsons und Christi stellen es
außer Zweifel, daß die sogenannte typologische Darstellung von Ereignissen des alten
und neuen Testaments den Gegenstand der Reliefs bildete. Eine so erfindungsreiche und
mannigfaltige Gestaltung ist sonst aus der romanischen Kunstepoche nicht bekannt. Aller
dings bleiben Gestaltungskraft und technisches Können hinter der lebhaften Phantasie,
welche diese Bruchstücke kennzeichnet, zurück. Der Meister wollte mehr als er konnte.
Immerhin aber sind die Figuren lebhaft und ausdrucksvoll bewegt, so namentlich der
blinde Simson, der die linke Hand auf die Schulter seines Führers legt und mit dem
Stab in seiner Rechten unsicher umhertastet. Das Nämliche gilt von der Huldigung
der drei Weisen. Hinsichtlich der Entstehungszeit und Urheberschaft dieser Reliefs sind
die Meinungen getheilt. Die Lebhaftigkeit der Geberden läßt vermuthen, daß der Ver
fertiger einer Schule angehört habe, die im XII- oder XIII. Jahrhundert bereits die
Wirklichkeit beobachtete, die geschickte Anordnung aber deutet auf den Einfluß von Werken
der elastischen Zeit. Dieser letzte Umstand macht den italienischen Ursprung des Meisters
wahrscheinlich.