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Abb. z. Heiliger Nikolaus von Tilmann Riemen-
Schneider im Luizpold-Museurn in Würzburg
nicht durch Schweigen den Eindruck
der Zustimmung zu erwecken, als viel-
mehr im Interesse des Werkes selbst
möchte ich seine Anschauung nicht un-
widersprochen lassen.
Wenn Ubell bündig erklärt, „der
Stil des ganzen Werkes weist nach
Franken", so bleibt er uns den Beweis
schuldig. Der Gesamteindruck des Al-
tars, sein Aufbau, seine Gliederung, die
Anordnung seiner Figuren und Flügel-
reliefs sind vielmehr nichts weniger wie
fränkisch, wie ein einziger Blick auf den
Marienaltar in Creglingen oder den Hei-
ligen-Blutaltar in Rothenburg mit ihrem
bewegteren Aufbau und den wesentlich
veränderten Giebeltendenzen belegt.
Meines Erachtens vergriff sich Ubell
in seiner Riemenschneider-Theorie des-
halb so schlimm, weil er - ähnlich wie
sich Geistberger auf Webers „Riemen-
Schneider" stützte - sich hauptsächlich
darauf beschränkte, die Charakteristik,
die Toennies uns von dem fränkischen
Meister gibt, als Maßstab an den Kefer-
markter Altar anzulegen, daß er also so-
zusagen Toennies als Medium benutzte,
statt, was doch das einzig Richtige ge-
wesen wäre, den Altar und seine ein-
zelnen Schnitzwerke der Reihe nach mit
authentischen Arbeiten Riemenschnei-
ders oder seiner Schule eingehend zu
konfrontieren. Zwei oder drei Figuren
oder Typen in Parallelen einander gegen-
übergestellt - ich meine auch bei der
Drucklegung -- hätten. zum mindesten zu Zweifeln, ja zur Ablehnung der
Anschauung Geistbergers führen müssen. Wir wollen hier zunächst das
Versäumte nachholen.
Riemenschneiders Gestalten sind durchwegs zarter, weicher, feiner
organisiert als die kräftigeren, männlicheren, robusteren Figuren des Kefer-
markter Meisters, und zwar nicht nur im Gesamthabitus, sondern mehr
noch in den Typen und in den Händen. Wie ganz anders, viel zierlicher
proportioniert erscheint zum Beispiel die Münchener heilige Barbara mit
ihrem kleinen schmalen Kopf, dem schmächtigen Oberkörper und seinen