ist?" Wir haben uns die beiden Ritter, ganz analog wie in St. Wolfgang, in
Dambel-Nonsberg, in Möllbrücken und andern Orten als Wächter des
Schreins an dessen Seitenwänden, von Baldachinen überdacht, aufgestellt
zu denken." Daraus ergibt sich ohne weiteres, daß die jetzt feststehenden
Flügel von allem Anfang an beweglich gedacht waren und auf ihren Außen-
seiten mit Gemälden hätten ausgestattet werden sollen. Es liegt also der
Schluß sehr nahe, daß der Altar in seinem jetzigen Zustand unvollendet ist.
Für die allgemeine Erscheinung des Werkes ist es von keinerlei Belang,
daß die Flügel hier geschnitzt, in St. Wolfgang gemalt sind. Vor allem kehrt
in Kefermarkt derselbe ungewohnt reiche Giebelbau ganz ähnlich wie in
St. Wolfgangm" wieder, ein dichter Wald von Pfeilern, Fialen, Wimpergen
und Kreuzblumen, belebt von Heiligenstatuen und -statuetten. Entwickelt
sich dieser Giebel nun auch nicht ganz so logisch und organisch aus den
Baldachinen des Schreins wie in St. Wolfgangßr wo er die Türme der hoch-
gebauten Stadt, des himmlischen Zions im Innern des Schreins repräsentiert,
so entspricht er doch in seiner Gliederung, Verstrebung und den archi-
tektonischen Motiven, dann in der Einordnung der Figuren wie kein zweiter
im ganzen Bereich mittelalterlicher Altarkunst seinem Vorbild. Jedenfalls
A steht er der fränkischen Kunst vollständig fern. Auch die Innenarchitektur
des Schreins mit den vorkragenden Baldachinen, die in St. Wolfgang der
geschlossenen Szene der Marienkrönung entsprechend zu einer gemein-
samen Verdachung zusammeniließen, ist nicht unterfränkisch, sondern
spezifisch alpenländisch und die seitlich der I-Iauptliguren angeordneten
kleineren Heiligen- und Engelligürchen, auf Konsolen stehend und von
zierlichen Baldachinen überdacht, gehören zum wichtigsten Hausrat Michael
Pachers und seiner Gruppe. Man findet sie in Gries so gut wie in St. Wolfgang
und wie an den Schnitzaltären, so auch an Michael Pachers gemaltem
Kirchenväter-Altar der Münchener Pinakothek, an Friedrich Pachers Taufe
Christi in Freising oder seinem Peter- und Paulbild auf Schloß Tratzberg
und an Marx Reichlichs Stephanus- und Laurentiusaltar in Müncheni-i-
Und endlich die Figuren und Reliefs! Dieser urkräftige, robuste, jeder
Sentimentalität bare Menschenschlag ist, wie wir schon berührten, nicht
aus fränkischer Erde erwachsen. Von der träumerisch weichen Stimmung
"' Ubell 46 und 48. Ich stelle mich hier durchaus auf die Seite Geistbergers. Wenn Ubell meint, daß
„eine solche mehr dekorative als organische Verwendung von Figuren und Baldachinen ein Wagnis sei, wie
es nur der Spätgotik zuzutrauen ist", so klagt er die Spätgotik zu Unrecht an. Figuren auf Flügel (l) und
Baldachine sozusagen auf den Boden zu stellen, sind Geschmaeklosigkeiten und Stilwidrigkeiten, die sich selbst
mit der ausgelassensten Spätgotik nicht in Einklang bringen lassen. Wo gäbe es hierfür Parallelem? Wie häßlich
und unlogisch liberkragen auch die Fußplatten der Figuren und die Baldnchine die Flügelstärke.
'" Friedrich Woltl", Michael Pacher, Berlin tgog, Tat. 8. -]ulius Leisching, Figurale Holzplastik, Wien,
Band ll, Taf. XXX. - Karl Atz, Kunstgeschichte von Tirol und Vorarlberg, Innsbruck tgog, Figur 593.
H" WoltT. a. a. 0., Taf. 66.
1- Es fragt sich. ob man bei der Restauration in den Jahren 1852 bis 1855, trotzdem man nach Geist-
berger (a. a. 0., S. 34) den Giebel nur stückweise herabnahm und die „einzelnen Gegenstände" dann „wieder mit
Schrauben und Eisenbändem an dem wohlerhaltenen Gerippe befestigte", nicht doch, ohne es zu wollen, von
dem alten Schema abwich.
H Wolff, a. a. 0., Taf. x, x r, 76 bis 85. - Halm, Der ehemalige St. Peter- und Paulsaltar im Jöchlsthum
zu Sterzing in „Kunst und Kunsthandwerk" XV (tgrz), Abb. 8 und 13.