diesem merkwürdigen Versatzstück an Südtiroler Malereien des XIV. und
XV. Jahrhunderts erinnert, die Säulchendekoration aber läßt sich am ehesten
aus oberitalienischen Reminiszenzen erklären, die wiederum für Südtirol am
naheliegendsten erscheinen.
So ziehen sich alle Fäden für die Herkunft des Altars in der alpen-
ländischen Schnitzkunst zusammen, die in Michael Pacher ihren Höhepunkt
und zugleich ihre bestimmende Richtungslinie fand. Noch lassen uns die
Kunsttopographie und ausführlichere Bilderkompendien der österreichisch-
tirolischen I-Iolzplastik im Stich, um den Meister des Kefermarkter Altars
genauer lokalisieren zu können. Soviel erscheint jedoch sicher, daß er der
unmittelbaren Gefolgschaft Michael Pachers angehört. Dafür spricht ja, wie
schon erwähnt, der Gedanke der Schaffung eines Konkurrenzwerkes zum
Altar in St. Wolfgang, den der Kefermarkter Meister zweifellos gekannt hat.
Aus der Verwendung von Lindenholz statt des sonst üblicheren Zirbelholzes
möchte ich annehmen, daß der Altar an Ort und Stelle oder doch mehr in
der Ebene gefertigt wurde, daß er also vermutlich als Werk eines Wander-
künstlers anzusprechen ist.
Ich kenne kein alpenländisches Schnitzwerk, in dem der Leben spenden-
den Kraft des seitlich einfallenden Lichtes, genau wie bei Pachers Wunder-
werk, eine so wichtige Rolle eingeräumt wäre wie an dem Altar in
Kefermarkt. Wie die Schreiniiguren aus dem Dämmer ihrer Nischen
und Baldachine hervortreten, wie das Licht über die Faltenkämme
huscht und sich von tief furchenden Schlagschatten abhebt, das ist alles
genau mit denselben Mitteln wie dort angestrebt. Wie müßte sich diese
jetzt schon auffallende Verwandtschaft zu ähnlich reicher Wirkung steigern,
wenn Farbe und Vergoldung dem Werke die endgültige Vollendung und
Weihe gegeben hätten. Das Visionäre und Feierliche, was aus dieser
glänzenden Ausnutzung der Höhen- und Tiefenkontraste, wie sie sonst
nirgends mehr die Bildnerei des Nordens in solch kraftvoll malerischer
Wirkung kennt, resultiert, wäre dadurch unfehlbar noch mächtiger in
die Erscheinung getreten und hätte dem Altar uneingeschränkt den Ehren-
platz neben Pachers Meisterschöpfung eingeräumt, der ihm wenigstens als
Schnitzwerk gebührt.
Für die beabsichtigte Fassung des Altars scheint mir folgende Stelle bei
Adalbert Stifter nicht ohne Belang zu sein: „Sämtliche Ornamente und
Rahmen sind mit weißer Leimfarbe angestrichen und so verklebt worden,
daß man die Feinheit und Reinheit des Schnittes nicht mehr sieht . . . . Die
Hauptfigur des heiligen Wolfgang hat man ganz vergoldet, ihr ein neues,
unaussprechlich gemeines und widrig sinnliches Angesicht gemacht und
dasselbe mit roter und weißer Farbe und mit einem blauen, schönrasierten
Baxte bemalt!" Wir wissen nicht, wann das alles geschah. Aber könnte der
Anstrich mit weißer Leimfarbe und die Verklebungen nicht wenigstens die
Vermutung zulassen, daß hier eine Grundierung für Anstrich und Vergoldung
' S. auch Geislberger, a. n. 0., S. 33.
51'