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Volltext: Der Zeichnen- und Kunstunterricht (Theilbericht der Gruppe XXVI), officieller Ausstellungs-Bericht

Der Zeichen- und Kunftunterricht. 
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offenbarten ein exadtes Studium. Freilich fanden wir darunter auch Namen, 
die fchon längfl das Meifterdiplom in der Kunfl erhalten haben! — Die Oel- 
ftudien waren alle wie von einer Hand gefchaffen; ob diefs ein Vortheil oder 
Nachtheil der Schule ift, können wir nicht näher unterfuchen. 
Das Streben des Kunflunterrichtes in allen deutfchen Kunftfchulen geht 
im Zeichnen vorwiegend nach der Durchbildung der Form und berückfichtigt 
vielfach zu wenig die denn doch wichtige malerifche Täufchung, d.h. die Nuancen 
in den Schattentiefen. Die gezeichneten Gypsmodelle erfcheinen in ihren grellen 
Lichtern und Schatten meifl als Broncemodelle ; ein leichterer, freierer Vortrag 
bleibt überall zu wünfchen. Es ift eigenthümlich, dafs als Zeichenmittel dei fo 
dankbare Röthel überall verfchmäht wird. 
Die flets wachfenden Sammlungen des Gewerbemufeums in Nürnberg, 
welchem auch von der Wiener Weltausftellung wieder Bedeutendes zuflofs, düifte 
den gewerblichen Unterricht für die Folge nach und nach den modernen Beftie- 
bungen näher führen, was der Induftrie des Nürnberger Bezirkes nur vom Voi- 
theile fein wird. 
Ebenfo wie in Nürnberg hat auch in München das Kunftgewerbe einen 
fpecififch localen Charakter. Hier flochten fleh in die germanifchen Elemente 
durch das reichere Kunftleben im Allgemeinen ganz eigenthümlich heitere,^ viel 
leicht romantifche Motive, die mit befonderem Gefchick allen Branchen der Kunfl - 
induftrie einverleibt werden. Hier, wo Schwind, der „Vater des Märchens“ in dei 
Kunfl, feine zaubervollen Geflalten aus dem Innern der Berge, der Steinburgen 
und dem Dunkel der Wälder in Schlingwerk und Arabesken hervortreten liefs, 
wo der Meifter des Humors Kaulbach feit Jahrzehnten wirkt und eine Schaar 
heiterer Kunftjünger der anderen die Hände reicht, deren unverwüftlicher W itz 
neben echt deutfehem, poetifchem Gemüthe in den „Fliegenden Blättern“ fein 
claffifches Tagebuch fand: Hier mufste ein Reflex diefes Kunftlebens auf die 
Induftrie flattflnden — und umfomehr, als ja viele der bedeutendflen Künftler 
fpäter in diefe Sphäre ihre Hauptthätigkeit verlegten. 
Den Centralpunkt für diefe Entwicklung bildet der Münchner „Kunft 
gewerbe-Verein“, von dem feit dem Jahre 1851 die „Zeitfchrift für Kunftgewerbe ‘ 
herausgegeben wird, welches Werk auch in zahlreichen Bänden auf der Ausftel- 
lung als die Beftrebungen des Vereins kennzeichnend vorlag. Aufserdem war 
noch eine bedeutende Anzahl Handzeichnungen aus dem Atelier des Vereins 
ausgeftellt, die in den verfchiedenften Zweigen der Kunftgewerbe den „Münchner 
Stil“ weiter charakterifirten. In dem Brunnen vor dem neuen Münchner Rathhaufe 
hat fleh diefes heitere Verbinden des Figürlichen mit der Architektur fogar bis zum 
Monumentalen gewagt — in diverfen Geräthen, Gefäfsen etc., hier begegnete es 
uns blofs in der ausgelaffenften Weife. Die Ornamentik löft fleh überall in menfeh- 
lichen oder thierifchen Formen auf; das malerifche Gefchick baut oft die wunder- 
lichften Dinge zufammen, ohne dafs wir uns darüber beleidigt fühlten: fo wächft 
aus einer Greifenklaue ein Hirfchkopf, in deffen Geweih ein 1 rinkhorn gefetzt ift; 
ein Harlequin übt an einem Gefäfse Gymnaftik und bildet in der zufälligen Attitüde 
den Henkel desfelben; Gnomen und Nixlein tummeln fleh an allen Ecken herum; 
das Auge ergötzt fleh daran und verzeiht dem Gefchick und dem Humor, mit 
welchem die Sachen gemacht find, das frivole Spiel mit der Aefthetik. 
Die Stilrichtung, welche in der königlichen Kunftgewerbe-Schule in Mün 
chen gepflegt wird, hält fleh, wie die Ausftellung zeigte, vorwiegend an die 
Renaiffance, jedoch wird auch auf ältere clafflfche Motive zurückgegriffen. Die 
Zeichnungen bewegten fleh meift in Decorationsmotiven, wohin auch der Schwer 
punkt der Schule gelegt zu fein fcheint. Hier belebt ein eifriges Studium der 
Pflanze die Motive und zeigte fleh deffen wohlthätiger Einflufs insbefondere bei 
den farbigen Decorationsftudien. Die Gypsornamente, von den Schülern meift 
nach kleinen Skizzen von Direktor H. Dyck gefertigt, zeigten ein tüchtiges Ver- 
ftändnifs der Form und waren mit viel Delicateffe durchgeführt; dasfelbe gilt von
	        
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