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„den jüngeren" gelten lassen wollte, hat der Stein des heiligen Vitalis in
St. Peter in Salzburg auszuscheiden. Hiervon später.
Die Vermutung, daß Hans Heiders Ausdrucksweise zum Teil wenigstens
von der Metalltechnik abhängig zu sein scheint, kann seine Stellung im Rahmen
seines Zeitalters nicht genügend erklären. Die Keim- und Ausgangspunkte
seiner Kunst innerhalb des Chiemgaus zu suchen, erledigt sich durch die
unvermittelte Erscheinung ihrer Höhe und Reife von selbst. Weder die Stein-
noch die Holzplastik bieten auch nur die dürftigsten Beziehungen. So wirft
sich die Frage auf, ob wir es mit Import oder den Werken eines Wander-
künstlers zu tun haben. Das Material des feinkristallinischen Untersberger
Marmors verweist wohl auf die Diözesanhauptstadt und künstlerische Metro-
pole Salzburg, der dortige Denkmälerbestand aus dem Ende des XIV. jahr-
hunderts verwehrt aber jede weitere Folgerung. So erübrigt sich nur die
Annahme eines zugewanderten Bildhauers, für dessen Herkunft kaum ein
anderer Ort als Brixen in Frage kommt, das gerade um die Wende des
XIV. und XV. Jahrhunderts einen kaum anderwärts erreichten Höhepunkt
sepulkraler Plastik repräsentiert. Indem ich mir Vorbehalte, später eingehen-
der diese Brixener Grabsteingruppe zu würdigen, mag es in diesem Zusammen-
hang genügen, darauf hinzuweisen, daß die Vorhalle des dortigen Domes
und der Kreuzgang die unmittelbaren Vorläufer der Heiderschen Kunst
bergen. Der Grabstein des Bischofs Friedrich Erkinger, gestorben 1396, z" lieh
für die Auffassung der Gestalt Simon Farchers
in Seeon, der des Bischofs Johann von Flentz-
burg, gestorben 1374, d" für die Architektur
des gleichen Denkmals das Motiv. Beide
Werke arbeiten, ganz ähnlich wie die Seeoner,
mit starker Hochrelieferscheinung, die I-Ieider
freilich noch wesentlich steigert. Selbst in der
Sprache der Einzelform, so in der Falten-
gebung, in der Haarbehandlung, in der Bildung
des Pedums, des Sudariums, spricht sich der
Schulzusammenhang unzweideutig aus. Ob
Meister I-Ians aus Brixen stammte oder nur dort
vorübergehend als ernpfänglicher Geselle tätig
war, ob er die Werke in Seeon, Baumburg und
I-Iaslach oder, was mir wahrscheinlicher dünkt,
in Salzburg ausführte, muß dahinstehen. Der
Grabstein des Bischofs Ulrich von Wien, ge-
storben 1417, in Brixen legt übrigens die Ver-
mutung nahe, daß der Meister zeitweilig wieder
in Brixen gearbeitet; er bildet die nächste und
f Kunsthistorischer Atlas der k. k. Zemralkommission, X
(1892), Tafel XIV, Nr. 2.
"' Ebenda, Tafel XVII, Nr. 3. Vgl. auch B. Riehl „Die Kunst Abb. 15. Vom Grabstein des Oswald von
an der Brennerstraße", z. Auflage (1908), S. x45 E. Törring im Kloster Baumburg
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