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wohl die letzte Stufe in der Entwicklung desselben." Von einer Nachblüte
oder einem bestimmenden und anhaltenden Einfluß I-Ieiders auf die Sepulkral-
plastik des Chiemgaus ist nichts zu gewahren. Die eigenartige Stellung des
Meisters und seiner Werke innerhalb der Kunst des Chierngaus kennzeichnet
sich am deutlichsten in einem Vergleich mit den beiden andern wichtigsten
Grabdenkmälern, die sich im engsten Wirkungskreis Heiders in der Kloster-
kirche von Baumburg und in der ehemals zum Kloster Seeon gehörigen Dorf-
kirche Truchtlaching erhalten haben. Es sind Deckplatten von Hochgräbern
oder Gruftplatten; beide geben lebensgroße Bildnisse.
Der ältere der beiden Steine, jener der Adelhaid von Sulzbach, der
Stifterin des Klosters Baumburg, gehört den allerersten Jahren des XV. Jahr-
hunderts (Abb. 17 und I8), wenn nicht noch den letzten des XIV. Jahr-
hunderts an. Die Stifterin steht auf zwei Löwen. Sie ist bekleidet mit langem
faltigen Gewande, das ein breiter Gürtel an der I-Iüfte zusammenhält. Von
den Schultern fällt ein stoffreicher Mantel; eine feingeiältelte Krausenhaube
umrahmt das Gesicht. Im rechten Arme hält sie das Modell der Klosterkirche,
in der Linken einen Rosenkranz.
Der Gesamteindruck wie jede Einzelform lehrt uns, daß wir einen
andern Meister vor uns haben. Das Relief ist wesentlich iiacher als bei dem
Seeoner Meister, die Modellierung weicher und feiner, der Faltenwurf
flüssiger und reicher; es ist keineswegs das Bild der Frau allein, was dem
Werk etwas Zartes und Zierliches verleiht gegenüber der männlich kräftigen
Art Hans Heiders.
.Adelhaid von Sulzbach ist eine fast anmutige Erscheinung, nicht ohne
Grazie in ihrer Haltung und reizend in der züchtigen Neigung ihres Köpf-
chens. Freilich bieten die Gesichtszüge nichts von seelischem Leben, man
könnte höchstens ein Insichgekehrtsein daraus lesen; ein Porträt, eine
Individualität schildern sie nicht. Die schlanken, zarten Hände sind über-
raschend gut gebildet, und auch im übrigen spricht sich ein ziemliches Ver-
ständnis für die Wiedergabe der Körperformen oder besser ihrer Bedeutung
für die Gewandung aus, wie dies der leicht geschwellte Busen oder der
linke Arm mit den schön gelegten Falten verrät. Technisch interessant sind
die Einlagen von schwarzer harzartiger Masse in den Fenstern des Kirchen-
modells, die uns an die Schrift der Aribo-Tumba erinnern. Die bisher ungenau
"' Ohne irgendwelche Schlüsse zu ziehen, sei noch bemerkt, daß im Steuerbuch der Stadt München in den
Jahren 1377, 1381, 1382, 1385 ein Goldschmied Lienhard I-Iayden oder Haydern in der Burggasse wohnhaft
aufgeführt wird. Vgl. auch Mon. Boica XXXV, Band a, S. x43. Im Jahre 1456 fercigte ein Hans l-Ieidn den jetzt
verschollenen Grabstein des Grafen Johann von Abensberg für das Kloster Rohr. Vgl. P. Dalhammer, Canonia
Rohrensis 1784, S. 123 Hi, ferner Monatsschrift des Historischen Vereins von Oherbayem, II (1892), S. B5, und
1897, S. 13, und Kataloge des Bayrischen Nationalmuseums, Band VI (1896), Nr. 300. K. F. Leonhardt, Spät-
gotische Grabdenkrnäler des Salzachgebietes 1913, S. 51. Ein Steinmetz Halder fertigt nach Westenrieders
Beiträgen, V (1794), S. 112, gegen Mitte des Jahrhunderts das Grabmal für Herzog Albrecht III. von Bayern,
und ein Hans Haldner, Steinmetz von München, war am I-Iofe Erzherzogs Sigmund von Tirol tätig (Jahrbuch der
Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses, I {m83} S. 193). Ferner sei noch des „anifex" Simon l-Iaider und
seines Sohnes Hans gedacht, die 1470 die bekannten Türen am Konstanzer Münster schnitzten. Schließlich
erwähnt Zillner in seiner „Geschichte von Salzburg", I, 281, im Jahre 1504 einen Hans Hayder. 0b alle diese
I-Iaider, Hayden, Halder, I-Ialdner unter Berücksichtigung eventueller falscher Lesarten auf eine weitverzweigte
süddeutsche Steinmetzenfamilie zurückgehen, muß dahingestellt bleiben.