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HANS HEIDER UND DIE SALZBURGER MAR-
MORPLASTIK IN DER ERSTEN HALFTE DES
XV. JAHRHUNDERTS 5b VON PHILIPP MARIA
HALM-MUNCHEN 50'
INE gute Stunde nördlich des Chiemsees, welt-
abgeschieden, liegt auf dem schilfumrauschten
Eiland eines kleinen Seegewässers, unter uralten
Bäumen fast bis zum Dache versteckt, das ehe-
malige Benediktinerkloster Seeon, das seine Stif-
tung im X. Jahrhundert auf einen Pfalzgrafen
Aribo I. zurückführt. Diesem Aribo ließ ein kunst-
sinniger, von Dankbarkeit und Pietät erfüllter Abt,
Simon Farcher, zwischen den Jahren 1395 und
1400 eine mächtige Tumba von schönem roten
Untersberger Marmor errichten. Einst in einem Winkel der Klosterkirche
gegen Westen aufgestellt, versetzte sie am 12. August r638 der kunsteifrige
Abt Honoratus Kolb in die Mitte des Münsters. Im Jahre r8r8 verwies man
sie in die westliche Ecke des südlichen Seitenschiffs, um sie schließlich in
den fünfziger Jahren des XIX. Jahrhunderts in der zu einer geschmacklosen
Lourdesgrotte umgestalteten Barbarakapelle nördlich der Vorhalle der Kirche
aufzustellen. Dort muß sie der Kunstfreund hinter hohem Gitter im Dämmer-
lichte suchen und harren, bis für kurze Zeit durch das Westportal der Kirche
ein günstiger Sonnenstrahl fällt, der spärliche Heilung über das mächtige,
prächtige Denkmal gießt. Diesem Stiftergrab, das man übrigens halbver-
gessen eine Zeitlang bezeichnenderweise als das Grab des heiligen Lam-
pertus, des Kirchenpatrons, betrachtete, haben bisher die kunstgeschichtlichen
Handbücher nicht eine Zeile gewidmet und selbst die Lokalliteratur nahm
sich erst vor wenig Jahren dieses hervorragenden Werkes mittelalterlicher
Bildnerei mit größerem Interesse an, ohne jedoch seine Schönheit und Be-
deutung zu erschöpfen. Ein an der Schwelle zweier Jahrhunderte errichteter
Markstein, überragt es alles Gleichzeitige an Kraft und Größe, an Reichtum
und Eleganz" (Abb. r bis 8). Auf hohem, einfach profiliertem Sockel erhebt
sich die Tumba, deren beide Längsseiten durch je fünf und deren Kopf- und
Fußwand durch je zwei mäßig geschweifte Kielbogenarkaden belebt werden
(Abb. r}. Die Bogenfelder der Längsseiten füllen schräg gestellte Wappen.
Auf der jetzigen Vorderwand steht zwischen den Wappen des Klosters und
seines Wohltätergeschlechts, der Laiming, einerseits und der Grafen von
Andechs und der bayrischen Herzoge andrerseits, das Bildnis eines Abtes
"f Sighart, Geschichte der bildenden Künste in Bayern 1863. S. 498; (Derselbe in der ,.Bavaria" I (1860).
S. 257. Eingehender beschreiben das Werk die „Kunstdenkmale des Königreichs Bayern" I, r843. und Tafel 22g,
dann Riebl, Geschichte der Stein- und Holzplastik in Oberbayern vom XII. bis zur Mitte des XV. Jahrhunderts.
Sonderabdruck aus den Abhandlungen der k. b. Akademie der Wissenschaften III. Kl.. XXIII. Bd.. I. AbL,
S. 38. -- Vgl. auch meine Monographie: „Das Stifxergrab in Seeon" in den „Studien aus Kunst und
Geschichte, Friedrich Schneider zum siebzigsten Geburtstage gewidmet", rgoö, S. 255.
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