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Volltext: Monatszeitschrift XVI (1913 / Heft 8 und 9)

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harten Grabstein hindurch die symbolische Blume ersprossen sei. An der 
rechten Längsseite, auf der Dicke des Steines liest man in gotischen Minuskeln 
die Worte: 
Presul Vitalis cubat hic egrisque medetur Q5 646 xiij kl' novembris. 
In dem Grabstein des heiligen Vitalis, mit dem wir einem der besten 
Werke deutscher Plastik gegenüberstehen, dessen aber - die Lokal- und 
Heiligengeschichte ausgenommeni - bis jetzt nirgends Erwähnung geschah, 
verkörpert sich noch einmal der große monumentale Zug des XIV. jahr- 
hunderts, freilich erheblich durchsetzt von neuen Elementen. Keines der 
letztbesprochenen Werke kann sich ihm in der Größe der Anschauung an 
die Seite stellen, keines aber auch spricht von solch ernstem Streben nach 
schöner Form wie dieses. Es liegt eine stille erhabene Feier über dem 
Werke, ganz ähnlich jener, die über das Bild des Pfalzgrafen Aribo in Seeon 
gebreitet ist. Sie wird wie dort bedingt durch die symmetrische Anlage der 
Platte und die strenge Frontale der Bischofsgestalt. Diese Symmetrie empfindet 
man aber keineswegs als etwas Strenges und Zwangvolles, denn die ab- 
wechselnden rhythmischen Bewegungen der Engelhalbiiguren wirken wie 
die spielenden Varianten und Zufälligkeiten innerhalb eines streng gefügten 
Reigens. Auch die Gestalt des Heiligen erweckt bei aller Strenge in der 
Haltung keineswegs den Eindruck der Starrheit. Wenig befriedigen kann 
der Kopf des Heiligen mit dem unförmlich großen Heiligenschein. Man Fühlt 
wohl, daß der Meister das Außergewöhnliche, Überirdische der Persön- 
lichkeit verkörpern wollte, aber die beabsichtigte Verklärung des Heiligen 
mißglückte. Er versuchte ein aus allem Individuellen herausgehobenes Ideal- 
porträt, aber indem er alles Persönliche beiseite ließ, nahm er ihm zugleich alles 
Anziehende, Wirksame. Der Kopf blieb leer, nichtssagend; geistlos. Auch 
das edle Haupt des Pfalzgrafen Aribo von Seeon ist nur ein Idealbild, aber 
man kann ihm glauben; der Ernst und die Würde der Züge verkörpern 
wenigstens einen Charakter. Aus dem Antlitz des heiligen Vitalis kann man 
nichts von seiner Frömmigkeit, Gottseligkeit und Heiligkeit herauslesen. 
Wäre nicht der Nimbus und die Engel, man glaubte an irgendeinen 
Bischof, nicht aber an einen Erlesenen des Herrn. Auch die Engelsköpfchen 
tragen die gleichen seelenlosen Züge wie der Heilige, nichts blieb von 
jenem lustigen Mienenspiel der Schildhalter an der Aribo-Tumba. Nicht 
im einzelnen darf man den Reiz und den Wert des Werkes suchen wollen; 
er liegt im ganzen, in der Komposition, in der Fülle und dem Reichtum. 
Zu welcher Zeit entstand der Grabstein des heiligen Vitalis? An dem 
Werke selbst finden wir, von seinem Stil abgesehen, nichts, was als Anhalts- 
punkt dienen könnte. Nun liegt aber eine handschriftliche Nachricht vor, 
die scheinbar auf seine Entstehung Bezug nimmt. In den Abteirechnungen 
von St. Peter Endet sich nämlich für das Jahr 1497 der Eintrag?" „Pro 
M. Johanne lapicida et scissore, qui lapidem B. Vitalis excudit" mit einer 
' Walz, n. n. 0., Nr. 360, S. 403; 4 F. K. Leonhardr, a. a. 0., S. 15. 
"" Codex S. Petri, Abteirechnungen 1496 bis x5o2. Cisla CLXXIV, 4.
	        
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