Heiligen Antlitz und den Engeln anblickt. Ziehen wir nun die Steine des
Petrus Nußdorfer und des Johann Nozenhauser an der Margaretenkapelle
in Salzburg in Betracht, die gegen 1430 entstanden sind, so erkennen wir in
ihnen noch eine weit altertümlichere Art, die kaum den geringsten Ansatz von
Röhrenfalten aufweist. Selbst bei einem so reifen und künstlerisch hoch-
stehenden Werk, wie bei dem Votivbild des Dompropstes (1403-1429) und
späteren Salzburger Erzbischofs (1429-1441) Johannes Rauchenberger
in Freising, das etwa 142g entstand, fallen die Falten des Mantels der Maria
noch in weichen, prächtigen Falten mit welligen Säumen herab; nichts von
Schwere, Last und Versteinerungfi So erübrigt nichts, als das Denkmal
des heiligen Vitalis noch weiter gegen die Mitte des Jahrhunderts zu rücken.
Die Sepulkralplastik des Inn-Salzachgebiets bietet in den in kräftigem Relief
gehaltenen Zwickelfiguren der Steine des Propstes Petrus von Kloster Au
und des Archidiakons Thomas Surauer in Gars am Inn, die zwischen 1440
und 1450 entstanden, die nächsten stilistischen Beziehungen, doch erscheinen
diese beiden Grabplatten, namentlich durch das sorgfaltigere Porträtstudium,
fortschrittlicher. Der Umschwung zur neuen Zeit bahnt sich in ihnen sicht-
barlich an.
Die aus stilistischen Erwägungen resultierende Datierung des Grabsteins
auf die Zeit um 1440 findet noch eine besondere Bekräftigung durch eine
Reihe literarischer Stellen, die sich mit dem Todesjahr des Heiligen und
seinem Grabe befassen." Danach war es Abt Petrus Klueghamer, „alter
Rupertus" nennt ihn die Geschichte, der seiner besonderen Verehrung der
beiden ersten Bischöfe und Bistumsheiligen Rupertus und Vitalis durch die
Ausstattung ihrer Grabstätten mit prächtigen Steinen Ausdruck verlieh
„beyläui-ig im Jahr 1438 oder 1440". Daß gegendie Mitte des Jahrhunderts
Arbeiten an dem Grabmal des Heiligen vorgenommen wurden, belegt ein
Eintrag in den Abteirechnungenm" sub „Distributa edificii de anno a3 ec. xl.
iiij to: Item das gebelb vnter sand Vital grab mit aller notturfft oben vnd
vnten dem maurärn vnd den czymerleytn zu lounn vnd macht als dn-r lb.
xxij ß vij drF xxv". Die Summe ist recht beträchtlich, es handelte sich also
auch um eine größere Arbeit, und dabei kann man sehr wohl an die Neu-
anlage einer Gruft, zu welcher der noch erhaltene Vitalisstein die Deckplatte
bildete, denken. Zieht man schließlich noch das auf der Deckplatte einge-
grabene Todesdaturn des Heiligen, 646, in Betracht, so erwacht unmittelbar
der Gedanke, daß Abt Petrus Klueghammer den heute noch erhaltenen
Vitalisstein zur achten Säkularfeier des Heiligen errichten ließ. Dieser
Datierung könnte man entgegenhalten, daß Vitalis bereits den Heiligen-
schein trägt, während er in Wirklichkeit erst 151g heilig gesprochen worden
' Vgl. Richard Hoffmann, Die Kunstaltertümer im erzbischöf lieben Klerikalseniinar zu Freising.
1907, S. 57, und die Abbildung bei Hans Semper, Die Sammlung alttiroliscber Tafelbilder im erzbiscböflichen
Klerikalseminar zu Freising, im Oherbnyrischen Archiv, Bd. lL (18g5fg6), S. 453 ff.
""' Es genügt zu zitieren: P. Beda Seeauer, Novissimum chronicon antiqui monasterii 0. S. B. ad sanctum
Petrum Sslisburgi, Augsburg und Innsbruck 1772, S. 14 5., 66 5., 72; - Auszug der neuesten Chronik des alten
Benediktiner-Klosters St. Peter in Salzburg 1782, I, 33 5., 298.
'" Abteirechnungen von St. Peter 1364 bis 1500. Cist. CIXXIV 3.