Altare S. Andreae, quod hodie a B. Vitale nomen habet, est Tumba S. Vi-
talis quadrangularis, muro meridionali, qui Ecclesiam majorem et Capellam
S. Catharinae discernit, uno latere cohaerens alta a pavimento 3 pedibus
circiter, supra Tumbam et murario opere factam impositus jacet Lapis ille
S. Vitalis Efligiem referens, g pedes longus, 5 latus, unius pedis profundi-
tatem habens cui secundum marginem versus populum incisus est antiquo
charactere ille versus: „Praesul Vitalis cubat hic aegrisq' medetur O. 646.
XIII. Cal. Novemb." Posteriori parte versus murum templi lapis est elevatior,
versus populum declivis, ut a populo lapis tanto facilius videri possitfk Der
Stich, den Abt Amandus beifügt, läßt deutlich unsere Grabplatte erkennen,
der denn auch die genannten Maße entsprechen. Danach möchte es
fraglich erscheinen, ob überhaupt noch eine weitere Grabplatte vor-
handen war. Hätte ein Werk von der schwächlichen Güte des Steines des
Abtes Rupertus Keutzl, der ja gleichfalls von dem scissor et lapicida
Johannes stammen soll, ein so wuchtiges und stattliches Werk wie das
erhaltene Grabmal verdrängen können?
Die älteren Nachrichten gewähren keine sicheren Anhaltspunkte über
den ursprünglichen Bestand des Grabes. In einer Beschreibung desselben
von 1604, die aller Nebensächlichkeiten, wie der geopferten Kerzen und
Votive und des umgebenden „Gätters" gedenkt, geschieht des Steines nicht
Erwähnung. Abt Amandus vermutet, „daß diser Stain werde under der
ebnen und glatten Maur gelegen sein, welche über das Grab gleich wie
ein Sarch gebauet war". Ich möchte annehmen, daß die uns erhaltene
Platte ursprünglich in dem Paviment oder als ein „erhebter Stein" in einem
niederen gemauerten Aufbau lag, vielleicht über der älteren, bei der ÖiTnung
des Grabes gefundenen und damals zerstörten Platte, welche die Inschrift
trug: „T. SCS. Vitalis Episcopus et alii tres." Dafür sprechen auch die glatt
zubehauenen Seiten. Als dann im Laufe des XV. Jahrhunderts die Verehrung
für den Heiligen immer größere Verbreitung fand, wollte man seine Grab-
stätte auch entsprechend reicher ausstatten und so errichtete man, wie
man etwa fünfzig Jahre vorher den prunkvollen Stein hatte meißeln lassen,
im Jahre 1496 zur achthundertundfünfzigjährigen Wiederkehr seines Todes-
tages, mit eben diesem Stein als Deckplatte, eine säulengetragene mensa-
aztige Tumba in der Gestalt, wie sie Stainhauser beschreibt und Sadeler im
Aufbau wenigstens ähnlich abbildet. Diese Aufbahrung der Platte dürfte nun
das eigentliche Werk des Meisters Johannes gewesen sein. Das Wort „lapis"
der Rechnungsnotiz wäre dann eben nicht als Grabstein, sondern als Grab-
mal im weiteren Sinne zu deuten. Erst bei dieser Aufrichtung in Mensafgrm
scheint man die Inschrift der rechten Langseite eingemeißelt zu haben.
Die Grabplatte des heiligen Vitalis nimmt in dem heutigen Sepu}-
kralen Denkmälerschatz Salzburgs hinsichtlich ihrer künstlerischen Voll-
endung eine hervorragende, eine Sonderstellung ein, die sich, wie schon
oben berührt, nur durch die Abhängigkeit von der Chiemgau-Gruppe erklären
" Amandus Pächler, Disquisitiones etc. S. 8x.