Reformationszeit in guter Übung, so daß sich Handfertigkeit und Material-
behandlung in alter Überlieferung durchweg erhielten. So entfernt sich ein
Spätrenaissancerelief, die hier abgebildete Abendmahlstafel, nicht gerade
erheblich von der Kunstweise des späten Mittelalters, so weit sie -- wie
bei den Oldenburger Holziiguren - einen Einschlag des Volkstums erfahren
hat. Alle Gewandmassen sind ohne nachträgliche Überglättung durch das
Schnitzmesser gegliedert, wenn auch nicht mehr ganz so monumental wie
ehedem; besonders hat das Messer die Falten des Tischtuches schlicht und
wuchtig gebildet. Der Eichen-
holzcharakter fällt an dieser
Tafel auf. Die Darstellung und
die einzelnen Apostelgestalten
sind knorrig und schwer wie
das Material. Man spürt nichts
von der Beweglichkeit der
Zeitskulptur, dagegen viel von
der Schwerfälligkeit und dem
bieder-derben Wesen des nie-
derdeutschen Volksstammes.
Bezeichnend ist in erster Linie
der schwere Rhythmus in dem
rechten Arm des Petrus und
der übrigen Apostel zur Lin-
ken. Man glaubt es zu sehen,
wie sich die Gefühle langsam,
aber wuchtig an die Oberfläche
arbeiten, man weiß, daß hier
der Arm eine nachdrückliche
Sprache redet; denn solche
Typen sieht man noch täg-
lich im Dorfkrug oder in der
Gemeindesitzung. War der
Schnitzer auch nur ein schlichter Handwerker, so war er doch ein
großer Volksdichter im Heimatsdialekt. Gehen wir die Reihe der Apostel
durch, A überall finden wir ein Stück unverfälschten Niedersachsentums.
Der Ernst der Szene ist ohne viel Beiwerk und große Gesten wieder-
gegeben. Christus ist der schlichte Dorfgeistliche, die Jünger sind nord-
deutsche Bauern oder Schiffer, die eine Judasschändlichkeit bis in die
Seele empört. Nicht allzu viele Schnitzwerke von gleicher Inhaltstiefe
wird man aus jener Periode, in der formale und ornamentale Geschick-
lichkeit voranstand und die Stilmode tonangebend wirkte, heraussuchen
können. Ein Werk aber, bei dem der Schnitzer selber seelisch mitempfunden
hat, wird auch Menschen anderer Kulturepochen nicht kalt lassen und
unserer Zeit, die formale Mängel in einer einheitlichen Komposition über-
Altarrelief aus Eichenholz, bemalt, Größe o'57 Meter, Oldenburg,
westfälische Arbeit, Anfang des XVI. Jahrhunderts
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