Ein künstlerisch wertvolles österreichisches Bild aus dem Ende des
XV. Jahrhunderts ist die koloristisch reizvolle dekorative Krönung Mariä
durch den thronenden Gott-Vater, der beiderseits von zwei Engeln flankiert
wird (Abb. I). Seine nächsten Verwandten hat das Bild, das auf der Auktion
des Nachlasses des Wiener Kunsthändlers Hans Schwarz erworben wurde,
in den durch die Publi-
kation der kunsthisto-
rischenGesellschaftfür
photographische Re-
produktionen 1903 be-
kannt gemachten vier
Tafeln des Marien-
lebens im Kapitelsaal
des Stiftes Wilten bei
Innsbruckf" Und in
Wilten oder Innsbruck
war nach Semper die
Werkstätte des Mei-
sters dieses Bildes, der
in glücklicher Weise
oberdeutsche und Süd-
tiroler Einflüsse ver-
einigt. Das leuchtende
tiefe Kolorit, die Typen
der Engel, Gott-Vaters
und der Madonna, die
perspektivische Ver-
kürzung des Raumes,
dann, von stilistischen
Details, die etwas ma-
nierierte Behandlung
des in kleinen Wel-
len herabfallenden
Abb. 2. Porträt einer jungen Dame. Mitte des XVl. Jahrhunderts, Kreis des
Haares, der Kachel- „Meisters der weiblichen Halbflguren" (Museum in Troppau)
belag, die Vorliebe für
Weiß _ alle diese Momente weisen auf die Werkstätte des Wiltener
Meisters hin. In den Kreis des mysteriösen „Meisters der weiblichen Halb-
Figuren" ist das graziöse Porträt einer reichgeschmückten vornehmen jungen
Dame (Abb. 2) zu setzen, die mit ringgeschmückten Fingern in einem kost-
baren Gebetbuch blättert. Vor ihr steht einer der reichen Silberpokale, die
zu dem stehenden Inventar dieser Bildergruppe gehören. Wenn auch die
geistvolle Hypothese Wickhoffs, der Meister sei mit Jean Clouet identisch,
kaum mehr aufrecht zu erhalten ist, so steht doch das eine fest, daß der
" Vergl. Hans Sernper, Michael und Friedrich Facher, ibr Kreis und ihre Nachfolger. xgn. S. 198 ff.
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