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Volltext: Monatszeitschrift XVI (1913 / Heft 10)

aufstapelt, sondern wie die Revuen up to date illustrativ und vor allem anschaulich bequem 
wirken will, erfüllte sich hier konsequent. Hier gibt's nicht nur das Bild sondern das Tableau 
vivant, nicht nur die im Rahmen gestellte Szene der Wachsiigurinen, hier spielt Bewegung 
und Darstellung: das Panoptikum entwickelte sich zum Miniaturtheater. Akteure und 
Aktricen, Männlein und Fräulein von Fleisch und Blut führen auf sechs zierlichen Bühnen 
Mode- und Kulturausschnitte aus dem XIX. Jahrhundert vor in echtem Interieur- und 
Landschaftsrahmen der Zeit. Und Ernst Stern, der geschmack- und kenntnisreiche 
dekorative Instrumentator der Reinhardt-Werke, inszenierte diesen Reigen du temps passe 
unter dem Titel: „Anno dazumal". 
Ein Stück Empire x8r3 als Vorklang zwischen Panneaux bleu royal und weißen 
Möbeln mit antikisierenden Goldemblemen. Die stille Kerzenschale schwebt über dem 
Raum und edel sakral lehnt die Harfe an der Wand. Die Damen tragen hoch gegürtete 
Kleider in TaHet, Musselin, Kaschmir und darüber eine Redingote oder das Spenzer- 
jäckchen aus Seide und Samt. Die Epoche ist voll kriegerischer Fanfaren, nur der 
Soldat gilt, so sind auch die Kavaliere dieses Musiksalons Offiziere, und die Damen betonen 
ihre militärfromme Gesinnung durch Nuancen, die der Uniform entlehnt sind, durch 
Chapeaux a la casque, Tschakos und römische Helmformen aus Samt mit Federn und 
Quasten garniert. 
Zwanzig Iahre später, das zeigt das zweite Bild, ist die Welt nicht mehr heroisch, 
sondern biedermeierlich gestimmt. Das „FrauenzimmeW ziert sich jetzt gespreizig in den 
voluminösen aufgekollerten Roben mit den dickplustrig ausgestoptten Schultern und Gigot- 
Ärmeln und dem breit abgesteiften Rock. Die künstliche Polstermode - der Schneider 
wird zum Tapezier - erstreckt sich auch auf die Herren der Schöpfung. Die Fracks 
bauschen sich mit ihren kurzen Vorderteilen (schottisch belegt) hochbusig, und die Hüften 
sind wattiert, um die Taille schmal erscheinen zu lassen. Man trägt lange graue Hosen, 
Pantalons; die gleichmacherische Revolution hat die aristokratische Kniehose, die Culotte, 
fortgeräumt und der wilde Sans-Culotte ward nun zu einem zahm-normalen. 
So angetan tanzt man Allemanden und Ecossaisen. 
Eine ländliche Idylle tut sich dann auf mit dem Dorfgasthaus unter Bäumen und 
dem großen behäbigen Reisewagen. Zwei Paare schlüpfen in den verglasten auf schweren 
Federn schaukelnden Kutschkasten, die Dämchen in schottisch gemusterten engen Taillen 
über dem breiten Reifrock und den großen Scheuklappenhiiten; die Herren in den faltigen 
kragenreichen Mänteln, die nach dem englischen Schauspieler Garrick oder nach dem 
russischen General „Diebitsch" heißen. Eine Eislaufszene um x85o bringt die bizarren 
Variationen der oben ganz engen, unten weit ausfallenden, mit Frisuren und Volants 
zärtlich ausstaffierten Ärmel a la Pagode und ä Ylillephant zu den dick wattierten pelz- 
besetzten Röcken, und sehr reizvoll und wert einer Wiederkehr in unserer dem Altmodischen 
der Tracht so liebevoll zugewandten Zeit zeigt sich der capeartige Mantel der Herren mit 
den tief eingeschnittenen Ärmeln, Pelzbesatz und Verschnürung. Er wäre ein begabtes 
Frack-Vetement, nuancierter als die jetzt lancierte Pelerine. Das ist 1850. 
Zehn Jahre später treffen wir an der Kranzler-Ecke, wo die Gardeoffiziere die langen 
Beine in den weißen strammen Paradehosen nach geheiligter Tradition über das Geländer 
strecken, die Berlinerin in der Eugenie-Krinoline, mit dem flachen Tellerhütchen und dem 
Knickerschirmchen, so wie verblaßte Daguerrotypien Pauline Lucca mit Bismarck in 
Gastein zeigen. 
Und wieder fünfzehn ]ahre später stolziert die Dame ä la mode mit dem von der 
Rockkaskade überwallten Höcker a derriere daher, dem berühmten Cul de Paris. Und 
wenn es früher ein Modenetikett a Plillephant gab, so kann man diese Variante, „au 
chameau" nennen. t Ä, 
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Die Mode von heut, wie sie in dieser Ausstellung durch Mannequins an Pariser 
Modellen und durch die neuen bei Gerson ausgestellten Schöpfungen der Wiener Werk-
	        
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