Es ist ein großes sachliches Verdienst der Veranstaltung, daß den jüngsten, meist
stürmischen Kämpfern auch die alten führenden Künstler beigesellt sind, die erkennen
lassen, wie sehr das heute Erstrebte zusammenhängt mit dem Wollen derjenigen, welche in
der früheren Jugend die Stürmer waren. So sind neben den Deutschen Barlach, Beckmann,
Großmann, Meid, Lehnbruck, Lederer der Altmeister Liebermann, dann Slevogt und Lovis
Corinth vertreten. So tritt von den Nordländern der prachtvolle Edvard Munch auf, bei
den Engländern Frank Brangwyn mit seinen luministischen Radierungen.
Unter den französischen sind vorwiegend jüngere Werke, wie jene von H. Kogan,
J. Nadelmann, N. Giannatasio vertreten, die zugleich auch den internationalen Grundzug
des Pariser Künstlervolkes erkennen lassen. Wenn manches für die Absicht der Aussteller
Wichtige unvertreten bleiben mußte, so sind die großen Schwierigkeiten solcher Auf-
sammlungen daran schuld. Es ist so viel Wertvolles und künstlerisch Hochstehendes hier
vereinigt, daß die Lücken wenig empfunden werden. Man fühlt hier den Atem der Zeit,
man nimmt teil an dem allgemeinen Ringen, das in Wien sonst so wenig öffentlich fühl-
bar wird. Wenn das Phäakentum wieder mächtig geworden ist auf vielen künstlerischen
Gebieten, so tragen solche Veranstaltungen wie die internationale Schwarz-Weiß-Aus-
stellung in verdienstvoller Weise dazu bei, die einschläfernden Geister aufzurütteln.
Vor allem zeigt diese Veranstaltung, wie überall gleichzeitig daran gearbeitet wird,
den Realismus, die reine Impression nicht als das Wichtigste erscheinen zu lassen. Ebenso
wird auch die strenge, akademische Richtigkeit der Zeichnung, die auf Wissen gegründet
ist, zugunsten einer erweiterten Ausdrucksmöglichkeit verlassen. Man schreitet überall zur
Synthese, nachdem wir eine Periode der Analyse hinter uns haben. Man sucht eine Welt
der Gestaltungen aufzubauen, deren Urbild in den Tiefen der menschlichen Seele ruht, die
nicht mehr ein bloßer Widerschein der Außenwelt sein will. Man ringt danach, den großen
Veränderungen unseres ganzen äußeren und inneren Lebens gerecht zu werden, dem
ewigen, tiefen Sehnen und Suchen nach Erhebung und Befreiung durch eine selbst-
geschaffene Welt die neue künstlerische Form zu finden.
Was der Musik, der Dichtkunst vielfach schon gelungen ist mit ihren Mitteln aus-
zudrücken, ringt sich mit Stift und Farbe durch. Hier sieht man die graphische Arbeit am
Werk; wenn man auch oft das Unfertige, Ungelöste der Arbeit empfindet, so lebt doch ein
starkes Wollen in den neuen Gestaltungen. Die Zukunft wird lehren, wie vieles davon zur
Reife und zur Vollendung gebracht werden kann.
KÜNSTLERHAUS. Die Genossenschaft der bildenden Künstler Wiens hat ihre
Winterausstellung eröffnet. Der stärkste Erfolg, der in diesem Jahre zu verzeichnen
wäre, ist denjenigen Architekten zu verdanken, welche aus dem Mittelsaal einen hellen,
freien Ausstellungsraum geschaffen haben. Hier ist modernen technischen Hilfsmitteln und
einer sachlichen diskreten Formgebung ein wesentlicher Gewinn für das alte, oft umgebaute
Ausstellungsgebäude zu verdanken, das so allmählich doch immer brauchbarer wird.
Leider ist die Zahl der Werke, die sich hier zusammenfinden und die eine nachsich-
tige Auswahl mehr aus praktischen wie aus künstlerischen Gründen anwachsen läßt, wie
immer sehr groß, wie immer einem Durchschnittsgeschmack angepaßt. Manches Tüchtige,
das über diesen Durchschnitt hinausragt, leidet dann unter seiner Umgebung.
Diesmal sind einige Kollektivausstellungen eingefügt, von denen drei den lebenden
Künstlern, und zwar den Malern: M. v. Poosch, Viktor Krausz, Hans Larwin breiteren Raum
zur Aussprache bieten, während zwei Gedächtnisausstellungen das Andenken der Maler
E. v. Lichtenfels und Fr. Pontini ehren.
Es sind auch Künstler fremder Nationenyertreten, aber so zwischen die Einheimischen
eingeschoben, daß sie nirgends hervortreten, wenn sie nicht durch ihre Qualität auffallen.
Dies ist bei Hodlers Mäher der Fall, der mit mancher andern herben, aber ernsteren
Arbeit das Schicksal der Verbannung in Nebenräume teilt. Dafür ist J. E. Blanche mit
seinen so sehr routinierten, aber ach so seichten Modebildern ins beste Licht gestellt.