beim Verein Berliner Künstler gemeldet. Die biderben Meister wiesen mit sittlicher
Entrüstung den umstürzlerischen Fremdling aus dem wohltemperierten Hause.
Er stellte dann zusammen mit Axel Gallen, dem finnischen Legendenmaler, seine Bilder
in der Glasveranda auf dem Hof eines alten Berliner Hauses aus und erregte Gruseln.
Heut sieht nun alles, auch Kritik und Publikum mit ruhigerem Blick auf diese Kunst.
Ins Monumentale hat sie sich freischöpferisch entwickelt, wie die großzügigen, rhythmisch
klingenden Fresken für die Universitätsaula erwiesen. Einen dieser Entwürfe Endet man
hier in kleinerem Format als Bild ausgestaltet wieder, die Sonne, eine glühende Spektral-
phantasie vor einem lila Felsen. Neben den Landschaften, die ihre Wirkung in den stark
und ungebrochen gegeneinander gesetzten Lokaltönen suchen, hängen hier auch weiche
Crepuscule-Abend-Sinfonien. Es ist die Serie der dekorativen Wandfriese, die Munch für
das Foyer der Kammerspiele malte. Sie kamen dort, etwas zu hoch angebracht, nicht voll
zur Geltung. Hier in näherer Gegenwart genießt man reiner die melancholische Traum-
schönheit dieser Uferstimmungen mit den farbigen Schatten vergleitender Mädchen. Und
- ein ganz anderes Zeichen - welch gemeißelte Wucht menschlicher Leiber, welch bän-
digende Meisterschaft steckt in dem Zug der Schnee-Arbeiter und in dem lichterüber-
spielten Körperreigen der Badeanstalt.
Die zwingendste Gewalt geht aber immer noch von den Porträten aus. Dämonische
Beschwörungskraft liegt in ihnen. Wenn Munch bourgeoise Typen festhält, den schwer-
massigen Konsul, der in apoplektischer Fülle sich aus dem Bild herauszudrängen scheint,
oder den finsteren Elegant im Gehrock und Zylinder, dann spürt man alle bösen Geister,
die im Menschen umgehen. Wie E. Th. A. Hoßrnann, Dostojewski und jüngst auch Stern-
heim das Gespenstisch-Groteske im Philister entdeckten, so lockt es dämonisch auch
Munchs Malerei hervor. Unheimlicher noch zeigt sich das, wenn er die fahlen, vertlackerten
Züge der Gestalten aus der Christiania-Boherne bannt.
Immer merkt man in diesen Bildern den klammernden Lebensgriff, selten erscheint
die entkörperte Vision. Ein Beispiel für diese Art des Schauens ist „Marats Tod". Alle
Konturen zerrinnen hier, es scheint, als ob das Leben hier farbig verströmte und über diese
Auflösung sich ziehende Flöre in Nebelstreifen breiten.
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In einer sonst recht uninteressanten Ausstellung des „Künstlerhauses" fallen Still-
leben des Wiesbadner Malers Ernst Töpfer angenehm auf.
Dekorative Geschmacksspiele sind es aus den zärtlichen amateurhaften Händen eines
Sammlers seltener und kapriziöser Dinge, der - wie die kosmopolitischen Bibliophilen-
Kataloge es nennen - „choses tres rares et recherchees".
Japonnerien stellt er zusammen; eineBuddha-Statuette, deren dankbarer Kultus freilich
allen Komponisten von Bibelot-Arrangernents gemeinsam ist, aber sehr raffiniert und
delikat wirken dazu die Gefäße aus milchtonigern Nephrit in den veri-isteten Durchbruch-
linien ihrer Körper, die Lackschale, der altblaue Hintergrund und die eigene wolkige,
wie von Ambra-Rauchwerk erfüllte Atmosphäre. Eine andere Etude bringt „Berliner
Porzellan" und erscheint wie eine Zierat-Ecke aus dem Studiodes Onkel Jason der
Jettchen Gebert: ein gelbes Reifrockpüppchen, das sich im Ovalglas eines Schmuck-
schränkchens spiegelt.
Moderne Harmonien gibt die Symphonie en blanche: Chremerie-Nuancen voll kühl
weißblauer Helle des Porzellans mit dem Einschlag eines grauen Zinnton. Töpfers Liebe
aber sind die Gläser. Aus hauchigem Stoff, seifenblasig schirnmernd, werden sie angeordnet:
wölbige Kugelilaschen, Schalen, Stengelpokale, Stangenbecher mit angeschmolzenen
Tränen. Die transluziden Lichtspiele, die optischen Schwingungen geben den künstlerischen
Reiz, und eine raffinierte Nuance sind dabei die schachbrettartig - gleich Wiener Werk-
statt-Ornament _ gemusterten oder getupften Hintergründe, die ihre Koloristik in den
gläsernen Flächen spiegeln.