Wie Van Gogh komponiertTöpfer Stilleben aus Büchern, und zwar werden gerade die
Stockilecke eines aufgeschlagenen Quartanten phantastische Tonanregung. Gegenüber
solcher Artistik muten der Zinntopf mit lila Blumen und der Totenkopf unter dem Blumen-
zweig „tränender Herzen" etwas konventionell akademisch an. Junge „Malbeilissene"
zeigten übrigens immer den Hang zu solchen Macabre-Capriccios. Man liest das jetzt
wieder in den Jugendbriefen Stauffer-Berns, die so sehr an des Grünen Heinrich male-
rische Lehrjahre anklingen, und auch der zog mit dem Zwiehahnschädel im Ranzen auf
die Wanderschaft. g j,
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Im Salon Cassirer wurden die vergessenen, vorn spüreifrigen Sammleriieiß zusammen-
gebrachtenGemälde des italienischenßarockmalersAlessandro Magnasco vorgeführt. Dieser
Genuese des XVII. Jahrhunderts - dies „secolo" ist für den Ausgrabungssport jetzt an
der Reihe - erweist sich nicht als ein Meister ersten Grades, aber er interessiert durch
eine vielseitige Fülle der Physiognomie und durch seine Stoffkreise und ihren kulturellen
Hintergrund. Er tritt manchmal, zumeist in seinen Uferausschnitten von seidigem Blau
des Wassers oder Wolken, die durch überhängende Baumgruppen links und rechts einge-
rahmt werden, dekorativ szenisch auf. Man denkt, er müßte für die Bühne gearbeitet haben.
An die Niederländer erinnert er dann, nicht nur an Rubens in dem fleischfrohen Bacchanal,
sondern an Hieronymus van Bosch, Breughel in den merkwürdigen Phantasiestücken aus
Klostersälen, Soldatenwachstuben und jenem ekstatischen Konventikel mit dem kreischen-
den Prediger und der seltsamen Gemeinde, in der nackte und bekleidete Gestalten neben-
einander sitzen und die Männer jüdische Mützen tragen.
Greco verwandt zeigt sich Magnasco in seinen Mönchsbildern, den betenden,
büßenden, den messerschleifenden und der Tonsurscherung.
Wie der Toledaner reckt er seine Gestalten zu verzückt krarnpiiger Haltung. Vor
allem die Hände bekommen etwas Übersinnliches.
Und diese Heiligen geben ein echtes Abbild mystischer Zustände auf dem Streck-
bett der Empfindung. Der Sammler dieser verstreuten Bilder, Benno Geiger, gab übrigens
jetzt bei Paul Cassirer einen instruktiven Catalogue Raisonne heraus, mit ausgezeichneten
Reproduktionen und der Vita des Magnasco (1667-1749) von Carlo Giuseppe Rati (1769).
F. P.
FFENBACI-I AM MAIN. AUSSTELLUNG „GUT UND BÖSE".
Einen sehr guten und nachahmenswerten Gedanken hat der Verein für Kunstpflege
in Offenbach am Main ausgeführt, nämlich eine Ausstellung von Gebrauchs- und Luxus-
waren, welche durch Gegenüberstellung guter und schlechter Beispiele auf den Geschmack
erziehend wirken sollen. Der außerordentlich rege Besuch namentlich von Frauen und
Mädchen und die vielen Nachfragen von außerhalb beweisen die Volkstümlichkeit und
gute Wirkung dieser Idee. In Schränken, Pulten und Rahmen sind die Geräte jeweils so
angeordnet, daß über einer Reihe von geschmacklosen Dingen stets eine Reihe entspre-
chender guter steht; so aber, daß derselbe Gegenstand, ein Glas, ein Kissen, ein Spielzeug,
unten in minderwertiger und oben in geschmackvoller Form erscheint. Es herrscht aber
über dem Ganzen ein einheitlicher Grundgedanke des „Bösen und Guten", der in einer
kleinen Einführungschrift von dem Oüenbacher Kunstpßeger Dr. Paul F. Schmidt und in
den Beischriften zu jedem Geräte immer wieder daran mahnt, daß ein Gegenstand des
täglichen Gebrauchs kein Kunstwerk ist und sein darf, daß er nicht zu einem solchen wird,
wenn man äußerlich „Kunst" in Gestalt von plastischem oder gemaltem Zierat daran
anbringt, und daß es eine ganz schlimme Sünde ist, aus einem Gerät einen schlechten
Witz zu machen, indem man zum Beispiel eine Bürste als Dackel oder einen Aschen-
becher als liegenden Leutnant bildet. Vielmehr predigen dies die „guten" Beispiele in
immer neuer Gestalt: daß ein Gebrauchsgegenstand seine Schönheit in seiner Handlichkeit,
in dem Glanz und der Anmut seines Materials und in der Güte der Arbeit trägt, welche