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dieser Prüfung und der Vergleichung mit anderen gleichzeitigen Gegen-
ständen derselben Art, welche letzteren auch auf der Rückseite genau
untersucht werden konnten, hat sich das Nachfolgende herausgestellt:
Die einzelnen architektonischen Abtheilungen der burgundischen Ge-
wänder scheinen jede fir sich oder in kleineren Gruppen, vielleicht von
5--6 Bildern, angefertigt und dann zusammengenäht worden zu sein. Diese
einzelnen Theile sind aber wirklich (nicht blos die Köpfe mit Pelzwerk
und Haaren, sondern auch die Gewandungen), wie dies von den Archäologen
gewöhnlich angenommen werden ist, mit d er Nadel angefertigt,
Stickereien in Gohelin-Manier. Nur die Streifen rothen Sammtes,
welche die einzelnen Abtheilungen begrenzen, sind mit gewebtem Sammt
aufgelegt.
Die Goldfaden sind stets über die ganze Breite des einzelnen Bildes
gespannt und auf der Leinwand, welche den Hintergrund bildet, befestigt
werden. Wenn alle Goldfäxlen gespannt waren, sind die Gewandpartien
darauf gearbeitet worden mit verschiedenen Nadeln, welche die verschiedenen
Farbtöne und die Schimmereffecte der verschiedenen Nuancirimgen hervor-
gebracht haben. Der Schimmeredect ist dadurch hervorgerufen, dass die
Fäden dichter oder weiter durchzogen sind, und zwar dichter in den Schatten-
partien, weiter in den Liehtpartien, so dass die durchschimmemden Gold-
fäden die Lichter geben. Die Gesichter sind mit Plattstich ausgeführt;
die Goldfäden gehen hier unter der Leinwand durch, um die Lincamente
des Gesichtes nicht zu zerstören. Bei den Händen, Flügeln u. s. f. haben
die Verfertiger dieser Gewänder sich die grosse Mühe, den Goldfaden unter
der Leinwand durehzuziehen, nicht genommen und man fühlt daher bei
diesen Theilen unterhalb der farbigen Fäden die dicken Goldfaden. Wahr-
scheinlich sind die verschiedenen Felder der einzelnen Gewänder gleich-
zeitig nach vorhandenen Zeichnungen von verschiedenen Personen
ausgeführt worden, für welche Annahme nebst der bald grösseren, bald ge-
ringeren Sorgfalt und Kunst der Ausführung auch der Umstand spricht,
dass Philipp der Kühne und seine Gemahlin, welche die burgundischen
Gewänder bestellten, notorisch eine grosse Anzahl von Personen mit
Stickereien u. s. f. beschäftigt haben. (Siehe den Text der Specialpublication.)
Bei den beschränkteren technischen Hilfsmitteln jener Zeit, aus welcher
diese Gewänder herrühren, wäre es allerdings nicht möglich gewesen, den-
selben Eirfect, der bei den burgimdischen Gewändern durch eine unendlich
langwierige und mühsame Handarbeit erzielt werden ist, auch mit der
Weberei hervor-zubringen. Heutzutage, bei dem gegenwärtigen Stande der
technischen Hilfsmittel, liesse sich derselbe Effect (abgesehen von denKöpfen,
welche auch heutzutage in solcher Vollendung nur mit Plattstich ausgeführt
werden könnten) nach der Ansicht der Herren Vertreter des Webereifaches
auch mittelst Weberei erzielen. Bisher kann jedoch die Weberei auf keine
Leistungen hinweisen, welche sich in technischer und ikünstlerischer Voll-