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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe I (1865 / 3)

einer durch das Auge und durch die fragliche Linie gelegten Ebene mit der Bilddßche ge- 
funden werde: dass mithin. nachdem für jedes Systsrm paralleler Linien, oder fiir alle pro- 
jectirenden Fbenen dieser Linien jene Linie, welche durch das Auge parallel 
zu den gegebenen Linien nach der Tafel gesendet wird, eine diesen siimmt- 
liehen Ebenen gemeinschaftliche sein muss - der Flnchtpunct fiir jedes System paralleler 
Linien gefunden wird, indem man vom Auge aus eine parallele Linie zu den obigen zieht. 
Der Durchschnittspunct dieser Linie mit der Bilddiicha ist der gesuchte Fluchtpunct. 
In gleicher Weise folgte der Nachweis liir die Verschwindungslinie von parallelen 
Ebenen - und schliesslich die Theorie der perspectivischen Massstäbe, mit Hilfe der Vor- 
stellung. dass der Vorgang in einer auf die Bildfläche senkrechten Ebene angenommen werden 
müsse, welche dann um ihre Trace mit dcr Bilddäcbe so lange gedreht wird, bis sie in 
die Bildtiäche selbst gelegt ist. 
Zum Schlusse der Vorlesung wurden diese Lehrsätze zugleich auf die Zeichnung des 
Würfels in seinen verschiedenen Stellungen angewendet. 
In der vierten Vorlesung wurde die Methode angegeben, wie die Zeichnung 
vorzunehmen sei, wenn (was in der Regel geschieht) nicht die ganze Distanz, sondern nur 
ein aliqnoter Theil derselben auf der Bildfläche aufzutragen ist, also das Zeichnen mit Q, 
i, } und allgemein mit i der Distanz. 
Ferner erläuterte der Vortragende die Beg-riife der Breitem, Höhen- und Tiefen-Blass- 
stäbe im Allgemeinen, und zeigte mit wissenschaftlicher Begründung die meisten der hier- 
flir angewendeten Methoden. 
Mit diesen Lebrsätzen wurde der theoretische Theil einstweilen abgeschlossen, und 
Arch. F. ging auf den demonstrativen Theil über, indem er alle weiteren Methoden nur als 
Folgeslitze dieser Theorie bezeichnete und aufmerksam machte, dass es sich nunmehr um 
die Anwendung dieser Sitze handle, welche am sichersten an den Meisterwerken selbst 
zu erlernen sei. 
Um jedoch auch den künstlerischen Btandpnnct jedesmnl erörtern zu können, sollen 
die zu dem Ende erforderlichen Begriffe von Symmetrie, Eurhythmie und Proportionalitit 
vorher erörtert werden. 
Der Vortragende nahm zu dieser Erörterung die Bildungsgesetze der Natur als Aus- 
gangspunct und versuchte nachzuweisen, dass diese Begriffe im Mineralreiche, bei der Bil- 
dung der Krystalle etc, nachdem hier die Richtung fehlt, ungleich schwerer als bei der Ent- 
wicklung der Pflanzenformen zu erfassen sind, wo sich aus der jeder Pflanze innewohnenden 
Lebenskraft und der ihr entgegengesetzten Schwerkraft eine Mannigfaltigkeit der Gestaltung 
gibt, welche, wenn auch durch Zufallgkeiten häufig verwischt, die ausgeprägten Gesetze 
der Symmetrie, Eurhytbmie und Proportion zur Erscheinung bringt. Bei den animalischen 
Schöpfungln kommen nun ausser den beiden bei der Pilanzenbildung angeführten Bildungs- 
snomenten noch jenes der Willenskraft, der freien selbständigen Bewegung hinzu, und die 
Gesetze, welche sich bei der Pdanzenhildnng nur mehr im Principe nachweisen lassen. 
kommen hier in vollkommenster Weise zur Erscheinung. 
So wie nun die Natur in ihren Meisterwerken der Schöpfung die Grundsätze der 
Symmetrie, Eurhythmie und Proportion in vollendeter Weise zur Erscheinung bringt, so 
kann wohl kein Zweifel sein, dass diese als die Grundbedingung auch jedes Kunstwerkes 
zu betrachten seien, und in der Tbat sind es die höchsten Schöpfungen menschlicher Kunst, 
in welcher obige Grundbedingnngen als das Resultat der Versöhnung der verschiedenen ob- 
waltenden Gegensätze zur Erscheinung kommen. 
Es wurde. nachdem der Vortragende von der Anwendung dieser Grundsätze auf die 
Architektur, Plastik und Malerei im Allgemeinen sprach , im Verlaufe nachgewiesen , auf 
welche Weise die Meister des Oinqnenento diese Grundsätze auf ihre Werke angewendet 
haben, und wurden als Beispiel Leonardo da. Vinci's Abendmahl und die vatikanischen 
Fresken von Rafael angeführt. Es wurde hervorgehoben, wie die Symmetrie entweder 
bei der Composition selbst (Dispute), oder wenn diese selbst eine grössere Bewegung fordert, 
durch die Anwendung einer vollkommen symmetrischen Anordnung der Architektur des 
Mittel- und l-lintergrundes erreicht wurde, und wie in dem Gcgensatze von innerer Bewa- 
gnng mit der Ruhe und Würde der Umgebung schon ein wesentlicher Theil der hohen 
Wirkung dieser Meisterwerke zu suchen ist. 
Auf dieselbe Weise suchte der Vortragende die Eurhythmie durch die symmetrische 
Anordnung gleichartiger Theile und durch den Einklang, in welchen das Beiwerk oder 
die architektonische Bahmung mit dem eigentlich handelnden Gegenstande gebracht wurde, 
nachzuweisen. Als ein wichtiges enrhythmisches Moment wurde die Zeichnung der Fnss- 
höden bezeichnet, auf welche Rafael besonderen Werth gelegt zu haben scheint, und 
welche in der That aus Gründen, die voln architektonischen Standpuncte nachgewiesen wur- 
den, wesentlich zur Verständlichkeit und zur Erreichung einer grösseren Harmonie beitragen.
	        
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