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schaffenden Vorstellung von Zwischengliedern in der Gesamrntvorstellung einer Reihe
(z. B. des Farbencontinuums) mochte der Vortragende selbst diese Frage bejahen. Aber
auch für die reproducirendcn Künstler, wie für die verstandnissvoll genießenden, deren
Nachempfinden ein Selbsterleben und freies Nachschalfen ist, wird die Phantasie in An-
spruch genommen. Aus dem Wesen der Phantasie heraus und nur aus ihm findet
schließlich die Frage des wahrhaft kunstmaßigen Stils ihre Losung, und zwar weist
Alles darauf hin, dass die wahrhaft kunstmäßige innere Form weder vom Naturalismus
noch von Idealismus, sondern vom Stil des typischen Realismus geschaffen wird. Geht
dieser aber darauf aus, in vollendeter, lebensvoller Kunstform aus individuellen das
allgemeine Gesetz des Lebens wirksam zu zeigen, so tritt die künstlerische Phantasie
dadurch mit der wissenschaftlichen Intuition des Forschers in Verwandtschaft; aber
während jene, von Anderem abgesehen, individuelles Leben sucht, durch welches das
Gesetz nur eben hinderlich scheint, sucht diese das Gesetz, für welches das Einzelne
nur eben ein Fall der Anwendung ist. Fragt man schließlich nach dem Maßstabe für
den Werth der einzelnen Phantasiebilder in Hinsicht eines bestimmten künstlerischen
Zweckes, so ist zu antworten: dieser Maßstab ist jene eigenthümliche Verfassung der
Seele, welche mit erkenntnissartig richtiger Lust und Freude das Werthvolle dem
Werthlosen, das Werthvollere dern Minderwerthvollen vorzieht: der gute und richtige
Geschmack im eigentlichen Sinne des Wortes. Tritt sonach die Lehre von der Phantasie
unter einen Gesichtspunkt rnit der Lehre vom richtigen Geschmacke, so geht aus ihr
auf der anderen Seite naturgemäß die Lehre vom hochsten kunstmaßigen Stile hervor.
- Am 16. Januar hielt Maler August Schaeffer, Director-Stellvertreter der
Gemäldegalerie des Allerh. Kaiserhauses, einen Vortrag über nDie alpine Land-
schaftsmalerein.
Gewissermaßen im Zusammenhange mit dern im verHossenen Jahre gehaltenen
Vortrage über lLlHdSChEflSlhllCTBil, woselbst in einem möglichst kurz gefassten Essay
ein Bild der geschichtlichen Entwickelung dieses Kunstfaches im Allgemeinen, und zwar
von der fernsten Culturzeit bis auf unsere Tage zur Darstellung gelangte, wählte der
Vortragende für diesmal das specielle Fach: "Die alpine Landschaftsmalerei:
sowohl zur künstlerischen als wissenschaftlichen Auseinandersetzung.
Nach einer kurzen Würdigung des dermalen so sehr beliebten Cultus der Berg-
besteigungen und der sich hieranschließenden Tounsterei gelangt der Vortragende zur
Schilderung der alpinen Natur und deren Eindrücke auf den Menschen überhaupt, um
sodann auf die malerischen Erscheinungen und Qualitäten derselben überzugehen. Es
werden in kurzen Exposes die charakteristischen Momente der alpinen Welt zur An-
schauung gebracht, deren Anregung zur malerischen Darstellung, wie aber auch deren
Schwierigkeiten motivirt, welche dem Hochgebirgsmaler sowohl in materieller als künst-
lerischer Hinsicht in Erfüllung seines Berufes zu erwachsen pflegen.
Nachdem auch die Tendenzen erörtert werden, welche in der modernsten Kunst-
ausübung die Pflege der alpinen Malerei bedeutsam in den Hintergrund gedrängt haben,
so dass die eigentliche Blüthezeit dieses Kunstfaches mehr oder minder als abgeschlossen
zu betrachten ist, geht der Vortragende auf den kunsthistorischen wie auch kritischen
Theil seines Thema's über, bezeichnet die alpine Malerei als eine in ihrer vollen Charak-
teristik und Wahrheit der Darstellung durchwegs unserem Jahrhundert angehorende
Kunstrichtung, pracisirt deren Anfange, welche bereits zu Ende des vorigen Jahrhunderts
in einzelnen Beispielen nachgewiesen zu werden vermögen, streift sodann die Ursachen,
weshalb die alten Meister der Darstellung der alpinen Natur nicht huldigten, um sodann
auf cine chronologische Anführung und kritische Besprechung derienigen Maler zu ge-
langen, welche dieses Kunstfach zur Entwickelung, theils hinleiteten oder zum yollen
Austrag, d. i. zur vollendetsten Kunsterscheinung brachten. Als einer der Hauptmeister
der alpinen Landschaftsmalerei wird Alexander Calame bezeichnet, dessen gesammtes
künstlerisches und nicht nur auf einzelne Künstler, sondern ganze Gruppen derselben
einiiußreiches Wirken als ein epochemachendes hingestellt werden muß. Auf die Wiener
und Münchener Schule sonach übergehend, in welchen seit Beginn unsers Jahrhunderts die
alpine Landschaftsmalerei insbesondere eine ausgiebige Pflege fand, sodann der Düssel-
dorfer, Berliner Maler und anderer diverser Meister gedenkend, welche die alpine Natur
sowohl in allen Stilarten als diversen Auffassungen zur malerischen Verwerthung
brachten, und so zur besonderen Charakteristik dieses Kunstfaches beigetragen haben,
schließt der Vortrag mit einer kurzen Betrachtung über die neueste Richtung in der
Landschaftsmalerei, und zwar im Hinblick und in ihrer möglichen Beziehung zur Darstellung
der alpinen Natur.
Dem Vortrage war eine reichhaltige Samtulung von Gemaldereproductionen, Oel-
studiert und Aquarellen beigestellt worden, welche theils dem Privatbesitze, theils öffent-
lichen Sammlungen entnommen wurden.