sie sich in den obersten Schichten am dichtesten. Die Natur reihte sie selbst aneinander,
sie brauchten nur aufgelesen zu werden. Heute natürlich ward die Arbeit des Durchsiebens
und Auswaschens mühsamer.
Diese deutsch-afrikanische Diamantenvitrine stellt sich mit ihrer in zwölf Wertklassen
eingeteilten Ernte und ihrem Prunkstück, dem mächtigen gekrönten „W" in Brillanten,
vielleicht am imposantesten und sicherlich wirtschaftlich sehr interessant dar. Aber es
locken in dieser Ausstellung viel apartere Reize.
Ornarnentale Phantasien aus der Hand der Natur, gewachsene, frei entstandene Kunst-
forrnen entzücken in den hier vorgelegten Muttergesteinproben. Artistische Geologie genießt
man bei diesen Stücken graurissiger Gebirgsmasse, durch das sich schimmernde Gänge
des morgendlich leuchtenden Rosenquarzes oder die grünen Strichläufe des Chrysopras
ziehen.
Die Eidechsenhaut des Nephrits schillert, und gleich einer magischen Grotte öHnet
ein Porphyritblock sich und offenbart zwischen zackigen Kiefern in Musehelwölbung ein
Miniatur-Stalaktitengebirge von Amethysten in lila glühender Finsternis.
Fülle dekorativer Variationen spielt auf den Querschnitten des Achats: kreisende
Ringe graublau, austernfarbig; schwarzzackiges Bandwerk, der Zeichnung der Muränen
verwandt; verstreute Dreiecke, wie die durcheinander geschüttelten Figuren eines Kaleido-
skops; lachsfarbenes haarfeines Geäder in Silbergrau; merkwürdige über eine Fläche von
Haut- und Fleischton verspritzte und versprengte Gebilde, die an Infusorien- und Bakterien-
beete mikroskopischer Präparate erinnern.
Das Strandgut der Bemsteinküste, das erstarrte Edelharz zeigt sich in der primitiven
Urform, am fossilen Baumstamm gellossen - transparente Einrnauerungszelle für Insekten
- bis zum künstlerisch verarbeiteten Groß-Cabochon als goldgefaßter Tabatierendeckel,
als Hutnadel- und Korkenknopf, als Buckelzier in der Leibung eines Silberbechers, als
Omphalosbroche. Früher bevorzugte man das klare, lichte, blonde Material; heute gefällt
uns mehr als die glatte kühle Schönheit das Charakteristisch-Unregelmäßig-Kapriziöse.
Und wie uns lieber als die regelmäßig blauen Türkisen mit dem korrekten Teint die
pantherfleckigen, von den Runen der Natur gezeichneten Matrix-Türkisch sind, so suchen
wir auch heut den dunklen, flaumigen, tieftonigen, wie gezehrter Tokayer changierenden
Bernstein, möglichst noch rnit dem Mumienkern der kleinen, von der Goldlava überlaufenen
und verschütteten Lebewesen. Sie geben, ähnlich wie die Zwergbaumsprenkelung in der
Platte des Moos-Achats erst die wahre Sonderlichkeitsprägung. Aus den natürlichen Knollen
werden durch Aushöhlung künstlerisch montierte Flakons gemacht; und derbe, zackige
Scheiben, wie kleine Mühlsteinkrausen, reiht man zu ungefügen, aber sehr malerischen
Ketten auf. Und sie sah ich zusammen mit den Bajaderenreifen aus errötendem Rosen-
quarz oft in den Basargassen des Orients. „Ambre, Ambre", riefen die Händler, jetzt aber
erkannte ich, wie westöstlich dieser Selam.
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Einen großen Reiz hat es, wie durch die Schleifereien, vor allem von Idar in der
Rheinprovinz, die Steine nicht zum geläuterten Zierschrnuck nur verarbeitet, sondern auch
in ihrer ursprünglichen Eigenart als Berggestein, als Mineral verwertet werden. Wannen
und Schalen aus Achat und Rosenquarz mit den mannigfachsten Farbspielen ihrer Wan-
dungen sieht man, und besonderer als die korrektformigen runden und ovalen Gefäße
erscheinen die von der launisch unregelmäßigen Gestalt, die ihre naturhafte Herkunft aus
dem Block, aus der Erzstufe bekennen und muldig ausgehöhlt sind. Die Ostasiaten machten
mit ihren Amuletten, aus Amethyst- und Nephritballen geschnitzt, und mit den Snuff-
Bottles - den kleinen Flakons - die wie ein Rebus das Sprichwort illustrieren: „Gutta
cavat lapidem", solche geologische Raftinemente vor. Und auch hier gibt's niedliche Phiolen,
aus honiggelbexn Zitrin, aus Bergkristall, mit Rauhreifgeäder geschnitten, und mit welligen
Flächen voll Lichtbrechung.