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Volltext: Monatszeitschrift XVII (1914 / Heft 3)

sie sich in den obersten Schichten am dichtesten. Die Natur reihte sie selbst aneinander, 
sie brauchten nur aufgelesen zu werden. Heute natürlich ward die Arbeit des Durchsiebens 
und Auswaschens mühsamer. 
Diese deutsch-afrikanische Diamantenvitrine stellt sich mit ihrer in zwölf Wertklassen 
eingeteilten Ernte und ihrem Prunkstück, dem mächtigen gekrönten „W" in Brillanten, 
vielleicht am imposantesten und sicherlich wirtschaftlich sehr interessant dar. Aber es 
locken in dieser Ausstellung viel apartere Reize. 
Ornarnentale Phantasien aus der Hand der Natur, gewachsene, frei entstandene Kunst- 
forrnen entzücken in den hier vorgelegten Muttergesteinproben. Artistische Geologie genießt 
man bei diesen Stücken graurissiger Gebirgsmasse, durch das sich schimmernde Gänge 
des morgendlich leuchtenden Rosenquarzes oder die grünen Strichläufe des Chrysopras 
ziehen. 
Die Eidechsenhaut des Nephrits schillert, und gleich einer magischen Grotte öHnet 
ein Porphyritblock sich und offenbart zwischen zackigen Kiefern in Musehelwölbung ein 
Miniatur-Stalaktitengebirge von Amethysten in lila glühender Finsternis. 
Fülle dekorativer Variationen spielt auf den Querschnitten des Achats: kreisende 
Ringe graublau, austernfarbig; schwarzzackiges Bandwerk, der Zeichnung der Muränen 
verwandt; verstreute Dreiecke, wie die durcheinander geschüttelten Figuren eines Kaleido- 
skops; lachsfarbenes haarfeines Geäder in Silbergrau; merkwürdige über eine Fläche von 
Haut- und Fleischton verspritzte und versprengte Gebilde, die an Infusorien- und Bakterien- 
beete mikroskopischer Präparate erinnern. 
Das Strandgut der Bemsteinküste, das erstarrte Edelharz zeigt sich in der primitiven 
Urform, am fossilen Baumstamm gellossen - transparente Einrnauerungszelle für Insekten 
- bis zum künstlerisch verarbeiteten Groß-Cabochon als goldgefaßter Tabatierendeckel, 
als Hutnadel- und Korkenknopf, als Buckelzier in der Leibung eines Silberbechers, als 
Omphalosbroche. Früher bevorzugte man das klare, lichte, blonde Material; heute gefällt 
uns mehr als die glatte kühle Schönheit das Charakteristisch-Unregelmäßig-Kapriziöse. 
Und wie uns lieber als die regelmäßig blauen Türkisen mit dem korrekten Teint die 
pantherfleckigen, von den Runen der Natur gezeichneten Matrix-Türkisch sind, so suchen 
wir auch heut den dunklen, flaumigen, tieftonigen, wie gezehrter Tokayer changierenden 
Bernstein, möglichst noch rnit dem Mumienkern der kleinen, von der Goldlava überlaufenen 
und verschütteten Lebewesen. Sie geben, ähnlich wie die Zwergbaumsprenkelung in der 
Platte des Moos-Achats erst die wahre Sonderlichkeitsprägung. Aus den natürlichen Knollen 
werden durch Aushöhlung künstlerisch montierte Flakons gemacht; und derbe, zackige 
Scheiben, wie kleine Mühlsteinkrausen, reiht man zu ungefügen, aber sehr malerischen 
Ketten auf. Und sie sah ich zusammen mit den Bajaderenreifen aus errötendem Rosen- 
quarz oft in den Basargassen des Orients. „Ambre, Ambre", riefen die Händler, jetzt aber 
erkannte ich, wie westöstlich dieser Selam. 
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Einen großen Reiz hat es, wie durch die Schleifereien, vor allem von Idar in der 
Rheinprovinz, die Steine nicht zum geläuterten Zierschrnuck nur verarbeitet, sondern auch 
in ihrer ursprünglichen Eigenart als Berggestein, als Mineral verwertet werden. Wannen 
und Schalen aus Achat und Rosenquarz mit den mannigfachsten Farbspielen ihrer Wan- 
dungen sieht man, und besonderer als die korrektformigen runden und ovalen Gefäße 
erscheinen die von der launisch unregelmäßigen Gestalt, die ihre naturhafte Herkunft aus 
dem Block, aus der Erzstufe bekennen und muldig ausgehöhlt sind. Die Ostasiaten machten 
mit ihren Amuletten, aus Amethyst- und Nephritballen geschnitzt, und mit den Snuff- 
Bottles - den kleinen Flakons - die wie ein Rebus das Sprichwort illustrieren: „Gutta 
cavat lapidem", solche geologische Raftinemente vor. Und auch hier gibt's niedliche Phiolen, 
aus honiggelbexn Zitrin, aus Bergkristall, mit Rauhreifgeäder geschnitten, und mit welligen 
Flächen voll Lichtbrechung.
	        
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