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„Kunstformen der Natur" kann man auch an den vier Tischplatten studieren aus
Amethystquarz, Malachit, Chrysopras, Lapislazuli, mit ihren den Baumringen verwandten
Kreisstrukturen, den dekorativen Runen, dem versteinerten labyrinthischen Adergeflecht.
Man erinnert sich bei dieser malerisch ausdruckstarken Sprache der Steine an San Paolo
fuori le mure, das prunkvolle Gotteshaus „vor den Toren Roms", nahe dem bescheiden
demütigen Quo vadis-Kirchlein am Kreuzweg. Und seine stolze Prachtwirkung kommt viel
weniger von der künstlerischen Arbeit der Menschenhand als von den natürlichen Oma-
menten der mit den vielfältigsten Marmorplatten inkrustierten Wände. Da leuchtet der
Giallo antico mit seinen cremigen Isabellentönen; der wie dunkler Wein glühende Rosso
antico; Jaspis, hellrot mit weiß und grünen Bändern; der Cipollino mit seinen fleckigen,
an Wurstschnitte erinnernden Füllungen; der Pavonazetto mit seinem Pfauengeiieder; der
Verde antico mit grünem Serpentingeschlängel.
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In den gläsernen Schatzhäusern dieser Ausstellung fehlt es nicht an kostbarem und
köstlichem Schmuck. Ein Füllhorn der Juwelen ist ausgeschüttet, daß man an die Ekstasen
der Wildeschen „Salm-ne" denkt, an die Onyxe, „gleich den Augäpfeln einer toten Frau", an
die Saphire, „in denen das Meer wogt und der Mond wandelt nie das Blau ihrer Wellen",
an „Sardonyx- und l-lyazinthsteine und Steine von Chalcedon".
Aquamarine von der lichtgrünen Helle der Bergseen leuchten. Eine schmale Borte
von minutiös gefaßten Brillanten umschließt sie wie eine krisselige Rüsche und ein Geflecht
von Goldzellen umspinnt als Rahmen den Anhänger.
Weiße Topase schimmern kalt und fröstelnd, aber die bleiche gefrorene Helle des
Mondscheins überläuft ein blauer Schleierschein - Gletscher-Notturno voll Astral-
transparenz. Turmaline blühen grün, rotlila und - etwas Rares - taubenblutfarben. Aus
schwarzen Opalen sprüht Blinkfeuer wie Blitz aus der Gewitterwolke. Der Peridot gleicht
der Chartreuse verte im klaren Kristallglas. Der spanische Topas, tiefbraungelb, zeigt den
aromatischen Ton von Ambra.
Doch der eigenste dieser Steine, von dem weder die schwelgerische Kennerschaft
Oskar Wildes noch Huysmans (imjuwelenkapitel des Desesseintes aus „A Rebours") etwas
wußte, bleibt der l-Ieliodor. Aus dem im Hinterland von Swakopmund geförderten Edelberyll
- der auch die grünen und bläulichen Aquamarine liefert M wurde er in ganz geringer
Anzahl gewonnen. Von der gezehrten, tief öligen Farbe „alten Moselweins" (diesen Ver-
gleich des Kaisers kann auch ein alter Professional der „ecriture artiste" nicht übertreffen),
glüht er voll brennenden Feuers, und mit Recht kommt ihm der Name des Sonnengold-
Gesteins zu.
Der ihm den gab, sein Pate Lukas von Kranach, ein Nachfahr des alten thüringischen
Meisters, der Maler und Schmuckkomponist, nahm sich auch sonst seiner an und setzte
ihn ins rechte Licht.
Er entwarf im Auftrag des Kaisers das große, an die Würde-Attribute fürstlicher
Klosterfrauen gemahnende Kreuz für die Kaiserin, zwischen dessen Flügeln sich goldenes
Dornengeiiecht rankt.
Auch die andern Werke haben einen strengen sakralen, etwas dem Zeremonialprunk
des katholischen Kultus sich nähernden Charakter. An eine Monstranz erinnert die Nadel,
an deren Schaft ein glühendes Heliodor-Auge aus einem Strahlenkranz von Brillanten
blinkt, und noch stärker drängt sich solch allerheiligstes Gleichnis auf bei dem Anhänger,
der den Goldsonnenstein auf dem Hintergrund einer aus Brillanten und güldenen Zacken-
strahlen Hammenden Aureole darbietet. Und wenn diese Steine, die vielleicht nicht wieder
erscheinen, reden, so würde es heißen:
„Hier ist es ein Wunder, glaubt es nur."
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