Entsprechend der neueren Auffassung, die wir uns von der italienischen
Kunstentwicklung gebildet haben, erkennt Falke dann gegenüber der früheren
„romanischen" (Abb. auf Seite 201) eine ausgesprochene „gotische" Richtung
in den italienischen Stoffen (vgl. Abb. auf Seite 203 und 204). Der Gedanke,
daß die Arbeiten, die bisher zumeist als ,ßizilisch-sarazenische" oder „sara-
zenisch-italienische" zusammengefaßt wurden, dabei zum großen Teile
um ein Jahrhundert uns
näherzurücken wären,
wird im stillenwohl schon
von manchem Forscher
gehegt worden sein; klar
ausgesprochen und be-
wiesen ist er aber erst
durch Falke.
MitgroßerEindring-
lichkeit legt der Verfasser
dabei zwei der Haupt-
wurzeln dieser großarti-
gen italienischen Textil-
kunst dar: den Einfluß
des Chinesentums seit
der Mongolenzeit und die
eigentlich europäische
(„gotische")Entfaltungin
der italienischen Kunst.
Unmittelbare islamitische
Einwirkungen Endet Fal-
ke in der italienischen
Textilkunst dieser Zeit
(XIV. und XV. Jahrhun-
dert) in geringerem Maße
als man sie sonst voraus-
zusetzen gewohnt ist. Er
nimmt anscheinend mehr
Nachwirkungen früherer
Anregungen von dieser Seite her an. Um hier Entscheidendes sagen zu
können, müßte man allerdings die gleichzeitige islamitische Kunst näher
kennen, als es uns heute noch möglich ist.
Klar führt Falke auch die Entwicklung von den älteren mehr zier-
lichen Stoffen, die etwa der mittleren Gotik entsprechen, zu den so-
genannten Granatstoffen durch, die man der späten Gotik vergleichen
kann. Auch hier läßt sich übrigens der Zusammenhang mit Ostasien
nicht verkennen, doch legt Falke mehr als bisher Wert auf den Zusammen-
hang mit der Ausbildung der Samttechnik, die solche kräftige Muster
Brokat aus Lucca, Anfang des XV.Jahrhunderts, Österreichisches
Museum für Kunst und Industrie, nach Falke