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Wirklichkeit lautete: „Über das Bild des Lebens den Hauch des Todes
zu breiten." So entlehnte der Steinmetz dem warmen pulsierenden
Leben alle die einzelnen charakteristischen Züge, die gefurchte Stirn, die
flachen Schläfen, die hohen Augenbogen, die wohlgeformte Nase, kurzum
alle das Werk zu einem streng individualisierten Porträt stempelnden
Faktoren, die er nicht, wie etwa Hans Heider bei dem Bildnis Farchers,
in allgemeiner Form skizzierte, sondern denen er mit spürendem Auge
in ihren Detailformen nachging. Dem so dem Leben und der Wirklichkeit
abgeschriebenen Bilde prägte er die nur im Geiste erschauten Züge
des Todes ein. Tief eingesunken in die Höhlen sind die im Schlafe
geschlossenen kugeligen Augen mit ihren dünnen, feingeschnittenen Lidern,
schlaff scheint die Haut
über den Backenknochen
zu lagern, und kraftlos ha-
ben sich die Mundwinkel
nach unten verzogen. So
schildert der Meister in
durchaus glaubhafter Art
des Todes Abglanz auf den
Zügen des Lebens, wahr
und ernst und fast groß
und feierlich. In keinem
zweiten Werk dieser Zeit
und dieses Gebietes hat der
monumentale Geist der vor-
hergehenden Epoche sich
mit dem Wahrheitsdrange
der späteren Zeit zu solch
einheitlicher Wirkung und
solchem klaren Formenaus-
druck vermählt. Die Unter-
suchung über die zeitliche
Entstehung des Werkes führ-
te aus vergleichenden Er-
wägungen heraus und nach
Maßgabe des ergänzten To-
desdatums zu der Zeit um
1415.
Stellen wir nun die
Platte des Petrus Pienzen-
auer der Deckplatte des
Straubinger Hochgrabes
gegenüber, so läßt sich
_ _ _ _ Abb. 18. Deckplatte der Tumba des Propstes Petrus Pienzenauer
die obige Charakteristik des m der Stiftskirche in Berchtesgaden
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