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Volltext: Alte und Moderne Kunst XII (1967 / Heft 93)

autgetahren worden sind! 
Mit Ausnahme Napoleons 1., dem es ganz 
offensichtlich darauf ankam, den ersten 
Auftritt einer neuen kaiserlichen Dynastie 
mit einer Krönung in Paris der Welt 
ungleich wirksamer vor Augen zu führen 
als in Reims. Um so merkwürdiger, daß 
der Kaiser das Krönungswagenprojckt 
seiner Ersten Hnfarchitekten Fontaine und 
Percier als zu teuer ablehnte und sich mit 
einem Wagen begnügte, der einem be- 
deutenden Wagentheoretiker des 19. Jahr- 
hunderts nicht nur urmmdem, sondern auch 
zu klein erschien, um die Jllujerläl eine: 
Xouueränr reprärenlieren {u können 7. 
Nach einer durchschnittlichen Bauzeit von 
zirka 9 Monaten pHegte man die fertigen 
Krönungswagen nach Reims zu schaifen, 
leer und mitunter auch verhüllt, wie wir 
das aus Archivalien zur Krönung Karls X. 
(1825) wissen. Auch bewaffnete Wachen 
sind da bezeugt sowie eine transportable 
Remise, die den Krönungswagen vor neu- 
gierigen Blicken, eventuellen Sabotageakten 
und schädigenden Witterungseinflüssen zu 
schützen harte. Zwei bis drei Tage vor der 
stets an einem Sonntag abgehaltenen Krö- 
nung wurde der Wagen dann in einem eine 
halbe Wegstunde vor der Stadt entfernten 
Orte für den in einem Reisewagen ankom- 
menden König bereitgestellt. Dort bestieg 
ihn der Monarch und nahm nach alter 
Tradition vom Reimser Magistrat Huldi- 
gung und Stadtschlüssel entgegen, um 
darnach in einem festlichen Zuge i der 
sogenannten „entree solennelle" - und 
unter Begleitung genau verteilter Hof- 
chargen in die Stadt und vor die Metro- 
politankirche zu fahren, wo ihn der Erz- 
bischof empßng. Unmittelbar vor dem von 
einem Achtergespann gezogenen Krö- 
nungswagen rollten meist einige leere oder 
nur mit hohen Offizieren besetzte und 
sechsspännig gefahrene Staatswagen des 
Dauphins und der Herzöge von Orleans, 
Chartres und Bourbon. Im Krönungs- 
wagen selbst saß der Monarch nur in 
Begleitung dieser seiner nächsten männ- 
lichen Verwandten. Nie aber fuhr die 
Königin darin! 
Nach dieser entre? Jolennelle wurden die 
Krönungswagen in Reims nicht mehr ver- 
wendet. Weder am Krönungstag selbst 7 
an welchem der Monarch zu Fuß aus seinen 
Gemachern der erzbischöflichen Residenz 
zur Kathedrale geleitet wurde - noch 
anläßlich der festlichen und immer zu 
Pferde gerittenen Camzlrade zur Abtei- 
kirche des hl. Remigius, die ein bis zwei 
Tage nach der Krönung stattfand. Nach 
diesen Festtagen scheinen die Krönungs- 
Wagen wieder leer nach Paris gebracht 
worden zu sein, wo man sie wahrscheinlich 
zu den entrie: der in ihre Hauptstadt zurück- 
kehrenden Monarchen noch einmal ver- 
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wendet und dann in eigenen Remisen der 
Erurie: du Roi 7 des königlichen Mar- 
stalles - verwahrt zu haben scheint. Daß 
keine einzige Quelle von weiteren Aus- 
fahrten dieser Wagen spricht, darf uns nicht 
verwundern. Vereinten sich doch an ihnen 
kostbarster Schmuck, Staatswappen, Chiff- 
ren und Herrschaftsinsignien des Souveräns 
zu einer gleichsam visionären Repräsen- 
tation herrscherlicher Würde. Jede andere 
Verwendung dieser somit offensichtlich 
nur für höchste Staatsanlässe reservierten 
Zeremonienwagen wäre als eine Profanie- 
rung empfunden worden. Diesem den 
Zeitgenossen durchaus vertrauten Symbol- 
gehalt, für welchen erst in unserem nüch- 
terner denkenden Zeitalter die erforderliche 
Sensibilität verlorengegangen ist, mögen 
noch einige Bemerkungen gelten. 
Konservative Kreise waren beispielsweise 
davon überzeugt, daß mit großen Kupfer- 
stichdarstellungen der Krönungswagen eine 
wirksame politische Propaganda betrieben 
werden konnte. Dabei scheinen die auch 
als Erinnerungsstücke beliebten Blätter 
später lediglich als Vorlagen für Wagen- 
bauer von Interesse gewesen zu sein. Nur 
in den seltensten Fällen können sie mit 
ihren Vorbildern heute noch verglichen 
werden; wo nicht, da überliefern sie uns 
 
 
 
 
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in k u: Heil. Köln. Reichs Star! Franckfurt am Mayn den 
a1. jan. 11 -." (um. Museum Frankfurt a. M., Inv. 
N0. c 22 ). In der fÜHÜCH llnkeren Reihe links Kaiser 
Km vn. im Krdnullgswageit 
 
 
verlorene Objekte. Nichts verrät jedoch 
das Ansehen solcher Staatswagen besser 
als die Zerstörung des Krönungswageris 
Ludwigs XVI. in der Französischen Revo- 
lution. So wie der Pariser Nationalkonvent 
1793 das Haupt des Königs gefordert hatte, 
so wurde damals auch in einer Parlaments- 
akte die Vernichtung seines Krönungs- 
Wagens beschlossen und auch durchgeführt. 
Während man im selben Jahre noch die 
Staatskasse mit Vcrsteigerungserlösen von 
besonders wertvollen Galawagen aus ehe- 
maligem königlichem Besitz zu bereichern 
hoffte 7 alle unansehnlicheren und robusten 
Fahrzeuge überließ man der Armee und 
den öffentlichen Diensten - war dies ein 
gezielter Zerstürungsakt, gerichtet gegen 
ein die Republik kompromittierendes 
Staatssymbol. Denn nach der Meinung 
eines Revolutionskommissärs hätte allein 
schon der Anblick dieses unwürdigen Denk- 
male: die Älqextät der Volk; beleidigt und e: 
immerfarl an die rurbloren Triumphe reiner 
Unterdriirker erinnern müssenß. Der oben 
erwähnte Krönungswagen Napoleons I. 
scheint unter geringerem Propagandaauf- 
wand vernichtet worden zu sein; er ist 
unter den 1814 auf den Thron Frankreichs 
zurückgelangten Bourbonen in aller Stille 
zerlegt worden. 
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