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Die Werke des Meisters
des Kastenmayr-Steines bilden
eine in sich abgeschlossene, fest
umgrenzte Gruppe. Nur ein ein-
ziges Werk der einschlägigen
Gebiete berührt sich mit ihr, we-
niger vielleicht in den formalen
Ausdrucksmitteln als vielmehr in
der scharfen Prägung einer Per-
sönlichkeit: die Grabplatte des
Augsburger und Regensburger
Kanonikus Dr. Schmiechen, der
14r8 als Pfarrer von St. Jakob
in Straubing starb und dort be-
graben liegt (Abb. 35 und 36).
Die Platte zeigt den Verstor-
benen in einem Missale lesend,
das er mit beiden Händen vor
sich hält. Ein reicher Apparat
von Büchern zu seinen Füßen
und unter dem Kopfkissen legen
uns seine Gelehrsamkeit ein-
dringlicher nahe als das „egre-
gius decretorum doctor" der Um-
schrift. Die etwas plumpen, fetten
und wenig durchstudierten Hän-
de und die weiche Behandlung
des schwarnmigen, erschreckend
häßlichen Kopfes scheinen auf
einen andern Meister als den
Schöpfer des Kastenmayr zu
Abb. 44. Grabstein des Heinrich von Nothafi und seiner
Frau Margarethe von Wernberg in der Karrnelitenkirche zu welsen. eliuberzeugt uns
Straubing von der Leibhaftigkeit des Dar-
gestellten, aber es fehlt ihm die
schlichte Größe und das Ergreifende jener Werke. Freilich will dabei nicht
übersehen werden, daß uns Dr. Schmiechen als Lebender entgegentritt. Die
nach unten gerichteten Augen, deren Pupillen zwischen den Lidern sichtbar
sind, scheinen bei der Lektüre des offenen Buches zu weilen. Durch dieses
dem Kreise sonst fremde Motiv wie durch die ungewöhnliche Fleischigkeit
des Vorbildes wird die Beziehung zu dem Meister des Kastenmayr sehr
erschwert. Andrerseits aber erinnern manche technischen Gepüogenheiten
an ihn, so die Behandlung des Pelzes, dann die Schnittfläche der Haare,
die wir völlig gleich an der Tumba Herzog Albrechts oder am Stein der
Hinderkircher iinden. Danach möchte ich zwar nicht an den Meister des