kurrieren. Hierfür lassen sich viele Maler zu Konzessionen im Sinne der alten Schule
verleiten. Es entstehen daraus Gebilde, die weder die Qualitäten der älteren Meister noch
jene der modernen Richtung besitzen.
Über die Zeitverschwendung, welche die meisten der 2000 Bilder, in 43 Sälen, dar-
stellen, muß man ein unwillkürliches Bedauern empfinden, es wäre denn, daß diese vielen
Künstler einzig und allein zu ihrem Vergnügen, als Zeitvertreib, gearbeitet hätten! Trotz
der Bezeichnung „Artistes Francais" ist das ausländische Kontingent des Salon sehr
bedeutend und in der Qualität proportionell den französischen Arbeiten überlegen. Dieser
Umstand konnte auch von der Pariser Kritik nicht übergangen werden, doch wird man
sich hüten, in gewissen Blättern die Vorzüge eines Ausländers eingehender zu erwähnen,
es sei denn, daß es sich um eine Weltberühmtheit handelt.
Ich will zuerst die besten Eindrücke erwähnen, die dem Besucher bevorstehen. Man
suche die Bilder von Paul Chabas „Baigneuses de Lune", badende Mädchen im Mondlicht,
daneben ein virtuoses Frauenporträt in orangefarbigem Samtkleid (Madame Marghilo-
man). Die beiden Bilder von Antonin Calbet „Daphnis und Chloe" und „Jeune Mere"
sind reizende phantasievolle Darstellungen. Einen angenehmen Rückblick bietet uns „la
Fete de Pan", dekoratives Panneau, von Bouffanais; es erinnert ein wenig an die schwung-
vollen Kompositionen, mit denen Besnard seinen Ruf begründete.
Sehr viele badende Frauengestalten und Ausblicke aller Art auf das Meer bereiten
dem Besucher einige erfrischende Illusionen, regen aber auch den Wunsch an, die
ganze künstliche, lärmende und staubige Stadtatmosphäre zu fliehen. Unter den Aktstudien,
von denen ich eben sprach, merkt man sich das Sonnenbad von Paul Gervais, die Dame
bei der Toilette von Delpech, eine sonderbare schaumgeborene Venus, deren blonde Locken
zu Berge stehen, moderne Nymphen auf den sonnigen Gestaden von Capri von Jean
Lefeuvre. Sehr pikant wirkt ein amüsantes Bild von Edouard Zier: „Nature et Artifice":
Rechts und links vom Baum der Erkenntnis die Eva von dazumal und die hypermoderne
geschminkte Frau von heutzutage. Eine Mutter bei der Morgentoilette ihres kleinen Kindes
von Michele Loffredo ist ein vorzügliches Stück Arbeit. Leandre ist ergreifend durch die
Schlichtheit seiner künstlerischen Auffassung: die beiden altmodischen bürgerlichen
Gestalten „Ma Normandie" sind wie ein Lied aus alter Zeit.
Meister I-Ienri Martin ist hier, wo sich seine Kunst im großen Rahmen zeigt, wieder
einzig in seiner Art. Das große Stück, ein Wandgemälde, für den justizpalast bestimmt,
gehört nicht gerade zu den malerischesten Effekten, die wir von dem Künstler kennen, es
ist ein lebendiges Stück Alltagsleben: der Aufbau eines modernen Gebäudes in voller
Tätigkeit mit unzähligen Figuren von Arbeitern. Diese Darstellung der Arbeit (das Bild
heißt: „le Travail") ist zweifelsohne viel moderner wie all jene allegorischen Gestalten, mit
denen in Künstlerkreisen gar zu viel Unfug getrieben wird. Das zweite Bild von I-lenri
Martin ist einfach schön; „Dans la Lumiere" ist ein Stück Sonnenlicht, welches ein
schlichtes ländliches Paar verklärt.
Man bleibt gern einen Augenblick stehen vor der prunkvollen Sommernacht am
Seeufer, „Noctume" genannt. von Matignon, Sentimentale Naturen werden auch für den
alten Mann, der einsam vor einem ärmlichen Kamin träumt, einen mitleidigen Gedanken
empfinden. Das Bild „Seul" von Jean Rachmiel ist vorzüglich gemacht.
Es gibt doch noch Maler, die sich bemühen, historische Ereignisse in packender
Weise zu rekonstruieren. In dieser Art, zumeist schauerlieher Natur, wären immerhin
folgende Arbeiten zu erwähnen: „Heinrich lll. betrachtet den Leichnam des auf seinen
Befehl ermordeten Herzogs von Guise". Solche Szenen haben leicht etwas Panoptikum-
artiges, doch hat Louis Azena diese Aufgabe recht gut gelöst. „La Fin d'un Souper
romain", nach einer römischen Orgie, enthält natürlich auch einen Leichnam; es ist in der
Komposition recht geschickt durchgeführt, gezeichnet Tourne. Der Bürgerkrieg von Adrien
Leroy ist ein unheimliches Durcheinander von verwundeten Menschen in eingestürzten
Mauern.