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Volltext: Monatszeitschrift XVII (1914 / Heft 8 und 9)

gewirkt haben; augsburgisch ist auch der „Brotkorb" von Joh. I-Iübner von 
1773, eine der geistreichsten Silbergußarbeiten von flarnmendem Urnriß, 
durchbrochen und von glänzendster Phantastik, ein Dokument, wie weit 
bloßes Ornament im Aufbau einer Nutzform gehen kann: nur in Deutschland 
war solch ein Überschwang plastischer Beweglichkeit und solche innerliche 
Bändigung unter den Sinn des Gerätes zugleich möglich. Ganz deutsch 
berührt auch die Phantastik der Augsburger „Plat de Menage" von 1776 
(beim Fürsten zu Schwarzburg-Rudolstadt): eine Laube von difiizilster 
Kompliziertheit der naturalistisch gebildeten Einzelmotive von Gittern, 
Schäferspielerei, Pflanzen und so fort, mit der Flimmerwirkung des Silbers. 
Der Naturalismus, mit dem eine ganze Jagdszene plastisch am Fuß eines 
veritablen Baums (als Fuß eines Jagdpokals) dargestellt ist, klingt wie eine 
ferne Erinnerung an spätgotische I-Ierrlichkeiten; er entspricht aber ganz 
der janusköpiigen Art des deutschen Rokoko, das im Detail von aus- 
geprägter Anschaulichkeit des Natürlichen sein kann. Die vollkommensten 
Geräte sind, wenigstens im großen, die kirchlichen; ihre Bestimmung 
fordert Pracht und Reichtum, auf beides verstand sich dieser Stil vortrefflich, 
und der stark weltliche Einschlag in ihm konnte einer Generation nicht 
unwillkommen sein, deren Heilige in den hellen Kirchen zwischen Tanz 
und Ekstase taumeln. 
Fast eindringlicher als beim Porzellan bedeutete der Klassizismus den 
Tod des reichen Prunkgerätes. Die Engländer schufen um 1800 ihre Meister- 
werke in Silber; die Deutschen hatten sich im XVIII. Jahrhundert ver- 
ausgabt und die Jahrhundertausstellung scheint es vorgezogen zu haben, 
keine Goldschmiedearbeiten aus den letzten Jahrzehnten des Jahrhunderts 
zu bringen. Mit dem glänzenden Ableger des Rokoko beschließt sie den 
kunstgewerblichen Teil. 
KLEINE NACHRICHTEN S0 
GROSSE BERLINER KUNSTAUSSTELLUNG 1914. Inschallah - - .wie 
Gott will . . . so treten wir die alljährliche schwere Pilger- und Büßerfahrt ins Land 
der Moabiter durchs labyrinthische Reich der Bilder an. Als Philantropen handeln wir aber 
dabei mit Umdrehung des Hans Sachsischen Satzes und sagen: „Euch mach ich's leicht, 
mir mach ich's schwer". Ich erspare dem Leser die dürren Strecken der Wanderung, die 
öden Stationen und spreche nur von der herausiiltrierten Essenz. die sich natürlich für den 
prüfenden Ausleseblick auch in diesem Massenaufgebot finden läßt. Man darf dabei auch ein 
wenig dankbar der Regie des Präsidenten Langharnmer gedenken, die neben den uferlosen 
Stapelräumen kleine Sonderkollektionen zu zusammenfassenderer Betrachtung vereinigte. 
Für den historisch-retrospektiven Sinn, der sich immer gern beschäftigen läßt, gibt 
es diesmal Kunst im Zeitalter Wilhelms I. Nicht gerade Blüteperiode ist des. Viel leere 
Kostümstücke vom alten Becker, der so gern venezianisch kommt. Aber auch Feineres 
und Echteres. Überraschend delikat sind die kleinen Architekturstimxnungen von Karl 
Graeb, Miniaturen von Kircheninterieurs mit Filigrangegitter, geschnitzten Kanzelwangen, 
durchbrochenen Choremporen, farbig duftig illuminiert; die Alt-Berliner Gerichtslaube, 
vignettenhafthuschig und mit einer zärtlich strichelnden Andacht für jede Einzelheit von
	        
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