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Volltext: Monatszeitschrift XVII (1914 / Heft 8 und 9)

wohl einer reichen Phantasie, ist aber in der Ausführung zu kompliziert: rings um 
eine Pyramide entspinnen sich unzählige Episoden, welche die berühmtesten Kompo- 
sitionen des Meisters versinnbildlichen. Die Figur des Fra Angelico von Jean Boucher 
wirkt lebendig und durchgeistigt; es ist ein Kunstwerk. Die Helden der Eroberung der 
Lüfte haben an allen Orten die Bildhauer zu Monumenten angeregt. Wir sehen hier eine 
recht interessante Komposition, ein stilisiertes Fabelwesen, welches den gefallenen Aviatiker 
auf einen Flügel ladet. Die Linien sind schön und streng gehalten, die Dimensionen nicht 
übertrieben. Das Monument ist von Marcel Gaumont. Desruelles schafft eine angenehm 
ländliche Idylle, ein Hirtenknabe und eine kleine Schäferin bilden eine hübsche Brunnen- 
dekoration. Die „Nausica sur la Plage" von Poncin, eine Figur aus Sandstein, ist von 
schlichter harmonischer Form. Dieselben Eigenschaften finden wir in der „Femme nue", 
einer Gartenstatue von Fernand David. 
Die Denkmäler mittelalterlicher Helden wirken immer viel künstlerischer als die- 
jenigen, welche den Berühmtheiten der Neuzeit gewidmet sind. Es ist dies wohl eine 
Kostümfrage und man findet darin einen Beweis mehr dafür, wie unästhetisch die moderne 
Männerkleidung ist. Es kann niemals ein Kunstwerk daraus werden, wenn man einen 
Mann von heutzutage in der ihm gewohnten Kleidung darstellt; die Bildhauer sollten dies 
unter allen Umständen vermeiden, selbst wenn das sogenannte „sprechend Ähnliche" 
hierfür geopfert werden müßte. Um auf das Mittelalter zurückzukommen, bewundern wir 
die energiestrotzende Gestalt des Nicolas Rolin, eines Helden aus dem XIV. jahrhundert, 
von Henri Bouchard. Die Reiterstatue eines Ritters (Lebensgröße in Bronze) von Arthur 
Le Duc wirkt auch sehr gut. Das große Monument „A Jean de Bologne" für die Stadt 
Douai ist eine schwerfällige Gruppe mehrerer überlebensgroßer Körper. Der Schöpfer 
dieses Werkes, Alexandre Descatoire, wird hiermit nicht seinen Ruf begründen. 
Andere Künstler suchen ihre Inspirationen in der vorgeschichtlichen Zeit: Eine 
mächtige Gestalt, die mit einem Wolf ringt, ist kühn entworfen; sie heißt „Chasseur 
primitif" und ist von Marcel Paupion. Ähnliche muskelstrotzende Figuren aus alten 
Zeiten, mit Tierfellen bekleidet, sehen wir in der Gruppe „die Besiegten" von Horace 
Daillion: Ein alter und ein junger Mann tragen ein schönes Weib; es ist hier offenbar eine 
Flucht gemeint, aber es könnte ebenso gut eine Heimkehr der Sieger mit ihrer Beute 
bedeuten. Adam und Eva wurden uns auch diesmal nicht geschenkt. Die Ureltern der 
Menschheit sind in einigen Auflagen vorhanden; eine neuartige Auffassung ist jedoch 
diejenige von Albert Roze. Sie heißt „der Erstgeborene"; Adam betrachtet das kleine 
Menschlein mit unendlichem Erstaunen, während Eva erschöpft unter einem Felsen- 
vorsprung ruht. 
Die Allegorien treiben viel Unfug im Salon des Artistes Francais. Das Schicksal, ein 
Schauergreis, ist der Phantasie eines gewissen Honore Icard entsprungen. Man flieht vor 
dieser Vogelscheuche, nicht weit davon aber kommt uns aus einer Grotte, vor deren 
Eingang sich die Opfer winden, ein fürchterliches Weib entgegen: „la Guerre", vielleicht 
ist es auch ein Mann, jedenfalls soll hier der Krieg in abschreckendster Weise versinn- 
bildlicht sein. Das Werk, es ist von Madame Matte, ist für den Friedenspalast in Haag 
bestimmt. Eine Szene aus Dantes „Inferno" von Henrijondet blieb mir recht unverständlich. 
Ein großes Brunnenmonument von Alaphilippe ist den Frauen aus früherer Zeit 
(„les Dames d'Antan") gewidmet. Die drei Gestalten in ihren stilvollen Kostümen sind 
mit großem Geschick ausgeführt. Die Figuren von Henri Allouard könnten aus der Rokoko- 
zeit stammen, allerdings sind sie nicht allererster Qualität. Ein ernster tiefer Glaube beseelt 
das Grabdenkmal, welches Andersen seinem Bruder gewidmet hat; die Gestalt des Ver- 
storbenen wird von der Ewigkeit erhoben und geküßt. Ein anderes Sinnbild, „la Douleur 
et l'Esperance" von Robert Delandre, ist eine schöne Darstellung der Gefühle menschlicher 
Trauer. 
Die erfreulichsten Eindrücke stehen uns noch bevor, und wir verdanken sie einerseits 
der Kunst der Terpsichore, andrerseits der Tierwelt. Die Tänzerinnen sind sehr zahlreich,
	        
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