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Volltext: Monatszeitschrift XVIII (1915 / Heft 1 und 2)

Traditionen stattfand, weil in ihnen die Einwirkung volkstümlicher Anregungen auf die 
Entwicklung einer modernen kunstgewerblichen Betätigung besonders deutlich und 
nachhaltig in die Erscheinung tritt. Dabei ist der lokale Zusammenschluß gewisser 
Gruppen wie der Verein zur Förderung der Handarbeit (Handarbetets Vänner) als Vorarbeit 
zur Werkbundbewegung aufzufassen. Wenn dieselben Redner die engen Grenzen ihrer 
heimischen Betätigung bedauern und die weitgespannte und großzügige Werkbundaktion 
dankbar begrüßen, so erwecken sie zugleich die Hoifnung, daß die skandinavischen Länder 
zu einem Anschluß an die größere deutsche Organisation bereit wären und derselben auch 
wertvolles neues Anregungsmatarial zuführen werden. 
Von größtem Interesse ist die Aussprache über den Vortrag von Hermann Muthesius: 
„Die Werkbundarbeit der Zukunft." Der eingehende und mutige Bericht über den 
augenblicklichen Stand der Werkbundtätigkeit und die mutmaßlichen und wünschens- 
werten Ziele der nächsten Zukunft hat einen förmlichen Sturm von Gegenreden, aber 
auch zahlreiche Zustimmungserklärungen hervorgerufen. Die äußere Veranlassung 
hierzu war die Aufstellung von Thesen seitens des Vortragenden, die einigen Werk- 
bundmitgliedern vor der Tagung zur Kenntnis gelangten. Der erste Leitsatz von 
Muthesius lautete: „Die Architektur und mit ihr das ganze Werkbundschaffensgebiet 
drängt nach Typisierung und kann nur durch sie diejenige allgemeine Bedeutung wieder- 
erlangen, die ihr in Zeiten harmonischer Kultur eigen war"; wenn wir daneben den 
ersten Gegenleitsatz von Van de Velde setzen, welcher als Wortführer der Opposition die 
gegensätzliche Meinung derselben zusammenfaßte, so kennzeichnen wir die beiden Pole 
der Diskussion: 
„Solange es noch Künstler im Werkbunde geben wird und solange diese noch 
einen Einiluß auf dessen Geschicke haben werden, werden sie gegen jeden Vorschlag 
eines Kanons oder einer Typisierung protestieren. Der Künstler ist seiner innersten Essenz 
nach glühender Individualist, freier, spontaner Schöpfer; aus freien Stücken wird er 
niemals einer Disziplin sich unterordnen, die ihm einen Typ, einen Kanon aufzwingt." 
Eine größere Zahl von Rednern hat nun zu diesen nur scheinbar gegensätzlichen 
Auffassungen Stellung genommen und dabei sehr viel Interessantes und Anregendes über 
die Bedeutung und das Wesen des künstlerischen Schaffens vorgebracht, es wurde aber 
auch mit klarer und ruhiger Sachlichkeit festgestellt, daß die Ziele des Werkbundes keine 
rein und nur künstlerischen sein können und sollen, daß der individuellen Freiheit des 
Einzelnen durch die Konstatierungen des Vortrages keinerlei Zwang auferlegt werden soll. 
Wenn die Betätigung vieler Individualitäten und der von diesen beeiniiußten Kreise 
schließlich in der Gesamtheit ein Bild ergibt, das durch die für unsere Kunstperiode 
typischen Äußerungen seinen wesentlichen Charakter erhält, so ist dies nur ein Zeichen 
des hohen Wertes dieser einzelnen Betätigungen und keine Herabsetzung des einzelnen. 
Gerade die Auslese der Fähigsten, die Auswahl der besten Leistungen von Künstlergruppen 
einer Zeit, ganz besonders aber von Werken der angewandten Kunst ergibt zumeist das 
Hervortreten typischer Züge. Dabei ist ja wohl nicht ein Antizipieren und Vorgreifen 
durch Regeln und Leitsätze die Ursache der Verwandtschaft, sondern die Gemeinsamkeit 
von Arbeitsbedingungen, die Einwirkung von Ideen, häufig allerdings auch der überwiegende 
geistige Einfluß führender Persönlichkeiten. Mit einer Isolierung derselben und der Unter- 
stützung von Sonderbestrebungen würde der Allgemeinheit, der alles Wirken zu dienen hat, 
ebenso wenig genützt werden, wie mit der Schematisierung und Kanonisierung, die kein 
aufrichtiger Freund des Werkbundes jemals herbeiwünschen könnte. Sicherlich wird aber 
nur dann eine kraftvolle Wirkung nach außen - auf die große Masse der noch Wider- 
strebenden oder in Unkenntnis des Erreichten Lebenden - erzielt werden können, wenn der 
führende Chorus das Zusammenklingen der Einzelstimmen und nicht ihre Dissonanz ergibt. 
Die zu Führenden - und das ist die große Masse der Konsumenten und wohl auch 
ein gewichtiger Teil der Produzenten - müssen der Übereinstimmung in den Zielen ihrer 
Führer sicher sein. In diesem Sinne muß auch der individuellste Künstler einer Einfühlung
	        
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