Traditionen stattfand, weil in ihnen die Einwirkung volkstümlicher Anregungen auf die
Entwicklung einer modernen kunstgewerblichen Betätigung besonders deutlich und
nachhaltig in die Erscheinung tritt. Dabei ist der lokale Zusammenschluß gewisser
Gruppen wie der Verein zur Förderung der Handarbeit (Handarbetets Vänner) als Vorarbeit
zur Werkbundbewegung aufzufassen. Wenn dieselben Redner die engen Grenzen ihrer
heimischen Betätigung bedauern und die weitgespannte und großzügige Werkbundaktion
dankbar begrüßen, so erwecken sie zugleich die Hoifnung, daß die skandinavischen Länder
zu einem Anschluß an die größere deutsche Organisation bereit wären und derselben auch
wertvolles neues Anregungsmatarial zuführen werden.
Von größtem Interesse ist die Aussprache über den Vortrag von Hermann Muthesius:
„Die Werkbundarbeit der Zukunft." Der eingehende und mutige Bericht über den
augenblicklichen Stand der Werkbundtätigkeit und die mutmaßlichen und wünschens-
werten Ziele der nächsten Zukunft hat einen förmlichen Sturm von Gegenreden, aber
auch zahlreiche Zustimmungserklärungen hervorgerufen. Die äußere Veranlassung
hierzu war die Aufstellung von Thesen seitens des Vortragenden, die einigen Werk-
bundmitgliedern vor der Tagung zur Kenntnis gelangten. Der erste Leitsatz von
Muthesius lautete: „Die Architektur und mit ihr das ganze Werkbundschaffensgebiet
drängt nach Typisierung und kann nur durch sie diejenige allgemeine Bedeutung wieder-
erlangen, die ihr in Zeiten harmonischer Kultur eigen war"; wenn wir daneben den
ersten Gegenleitsatz von Van de Velde setzen, welcher als Wortführer der Opposition die
gegensätzliche Meinung derselben zusammenfaßte, so kennzeichnen wir die beiden Pole
der Diskussion:
„Solange es noch Künstler im Werkbunde geben wird und solange diese noch
einen Einiluß auf dessen Geschicke haben werden, werden sie gegen jeden Vorschlag
eines Kanons oder einer Typisierung protestieren. Der Künstler ist seiner innersten Essenz
nach glühender Individualist, freier, spontaner Schöpfer; aus freien Stücken wird er
niemals einer Disziplin sich unterordnen, die ihm einen Typ, einen Kanon aufzwingt."
Eine größere Zahl von Rednern hat nun zu diesen nur scheinbar gegensätzlichen
Auffassungen Stellung genommen und dabei sehr viel Interessantes und Anregendes über
die Bedeutung und das Wesen des künstlerischen Schaffens vorgebracht, es wurde aber
auch mit klarer und ruhiger Sachlichkeit festgestellt, daß die Ziele des Werkbundes keine
rein und nur künstlerischen sein können und sollen, daß der individuellen Freiheit des
Einzelnen durch die Konstatierungen des Vortrages keinerlei Zwang auferlegt werden soll.
Wenn die Betätigung vieler Individualitäten und der von diesen beeiniiußten Kreise
schließlich in der Gesamtheit ein Bild ergibt, das durch die für unsere Kunstperiode
typischen Äußerungen seinen wesentlichen Charakter erhält, so ist dies nur ein Zeichen
des hohen Wertes dieser einzelnen Betätigungen und keine Herabsetzung des einzelnen.
Gerade die Auslese der Fähigsten, die Auswahl der besten Leistungen von Künstlergruppen
einer Zeit, ganz besonders aber von Werken der angewandten Kunst ergibt zumeist das
Hervortreten typischer Züge. Dabei ist ja wohl nicht ein Antizipieren und Vorgreifen
durch Regeln und Leitsätze die Ursache der Verwandtschaft, sondern die Gemeinsamkeit
von Arbeitsbedingungen, die Einwirkung von Ideen, häufig allerdings auch der überwiegende
geistige Einfluß führender Persönlichkeiten. Mit einer Isolierung derselben und der Unter-
stützung von Sonderbestrebungen würde der Allgemeinheit, der alles Wirken zu dienen hat,
ebenso wenig genützt werden, wie mit der Schematisierung und Kanonisierung, die kein
aufrichtiger Freund des Werkbundes jemals herbeiwünschen könnte. Sicherlich wird aber
nur dann eine kraftvolle Wirkung nach außen - auf die große Masse der noch Wider-
strebenden oder in Unkenntnis des Erreichten Lebenden - erzielt werden können, wenn der
führende Chorus das Zusammenklingen der Einzelstimmen und nicht ihre Dissonanz ergibt.
Die zu Führenden - und das ist die große Masse der Konsumenten und wohl auch
ein gewichtiger Teil der Produzenten - müssen der Übereinstimmung in den Zielen ihrer
Führer sicher sein. In diesem Sinne muß auch der individuellste Künstler einer Einfühlung