waren und deren Holz auch im abgelaugten Zustand noch deutlich erkennen
läßt, daß der Farbe die schließliche Wirkung eingeräumt war, noch deutlich
die vor der Bemalung angedeuteten Pupillen. Vöge machte die gleiche
Beobachtung bei dem Apostel Matthäus und den vier Evangelisten des
Kaiser Friedrich-Museums in Berlin und bemerkt dazu: „Die Augen waren
vor der Bemalung mit Schwarz laviert und weiß aufgelichtet; über dieser
Lavierung liegen vereinzelte Farbrestef" Ubell könnte aber immerhin noch
ins Treffen führen, daß man bei den erwähnten Stücken sich erst nach-
träglich dazu entschlossen hätte, dieselben farbig zu fassen. Eine Beweis-
kraft wäre dieser Annahme jedoch nicht beizumessen. Wir besitzen nämlich
an verschiedenen Teilen des Münnerstätter Hochaltars Tilmann Riemen-
schneiders, der nach dem Kontrakt ursprünglich, und zwar durch Veit Stoß
gefaßt war, Beweise dafür, daß aus einer derartigen Andeutung der Augen-
sterne keineswegs der Schluß zu ziehen ist, daß die betreffenden Schnitz-
werke erst nachträglich, sozusagen entgegen der ursprünglichen Absicht des
Künstlers, farbige Fassung erhalten hätten. Die Hauptfigur der Maria
Magdalena, die sie begleitenden sechs Engel im Bayerischen National-
museum, ferner die beiden Flügelreliefs „Christus erscheint der Magdalena",
im Kaiser Friedrich-Museum," und „Magdalena salbt Christus die Füße",
in der Sammlung Benoit Oppenheim in Berlin,"i'"" haben alle diese mit
schwarzer Farbe lasierten Augensterne. Oppenheim, der feinsinnige Sammler,
bemerkt dazu: „Die in schwarzer Farbe angedeuteten Augensterne sind
original und fanden sich unter den späteren Farbenschichten vor, doch ist
dies kein Beweis für die Farblosigkeit, da sie auch unter der ursprünglichen
Farbe oft vorkommen. Der Künstler brachte sie wohl an zur Beurteilung der
Wirkung, bevor er die Farbe auftrug", und Vöge ergänzt: „oder auch zur
Orientierung für den Maler". Hiermit ist der eigentliche Zweck dieses Ver-
fahrens gekennzeichnet. Die Künstler- denn wie ich schon oben andeutete,
bediente sich nicht nur Riemenschneider desselben - wollten dadurch die
Stellung der Augen in der Höhle, die Richtung des Blickes für den Maler
festlegen; auch dem Bildhauer war das Auge der Sitz der Seele. Welch feine
Wirkung gerade durch diese Hilfsmittel erzielt werden konnte, zeigt die
erst jüngst von allen möglichen Bemalungen gereinigte Augsburger Afra-
statue des Bayerischen Nationalmuseums. Ubells Argumente für seine
Behauptung, die Taubergrund-Altäre und damit auch der KefermarkterAltar
seien von vornherein nicht für farbige Fassung berechnet gewesen, erweisen
sich danach als unstichhaltig und hinfällig, und in der Tat teilt auch keiner
der mit unterfränkischer Plastik vertrauten Forscher seine Meinung. Toenies'
diesbezügliche Anschauung ist übrigens längst allgemein, auch von Bode,
preisgegeben. Die Taubergrund-Altäre sind eine unbeabsichtigte Ausnahme
nicht nur für Franken, sondern für Riemenschneider selbst. Von einer solchen
' Königliche Museen zu Berlin, Band IV, Vöge, Die deutschen Bildwerlre rgzo, Nr. 201-205.
"i Ebenda Nr. 200.
"f" Benoit Oppenheim, Originalwerke in Holz, Stein und so weiter aus meiner Sammlung, Leipzig, 1907.
Nr. 7.