YIÜN
KÜNSTLERHAUS. Einige Räume des ersten Stockwerkes im Wiener Künstler-
haus, das ja die Mehrzahl seiner großen Säle den rekonvaleszenten Kriegern ein-
geräumt hat, sind für kurze Zeit den friedlichen Zwecken der Kunstförderung zur Verfügung
gestellt worden. Es ist eine Reihe von Werken ausgestellt, welche den Freunden des
Hauses Gelegenheit geben sollten, ihren Kontakt mit der künstlerischen Tätigkeit der
Genossenschaftsmitglieder aufrecht zu erhalten. Einige treue Mäzene und das Fürsorge-
komitee haben auch in verdienstvollster Weise dahin gewirkt, daß vieles in Privatbesitz
übergehen konnte.
Es ist eine Ruhepause im aufregenden Erleben des Tages, welche das Durchschreiten
der Räume gewährt. Der Eindruck des Gebotenen ist so ähnlich dem altgewohnten Bild
intimer Schaustellungen, daß man für kurze Zeit vergessen kann, was die Welt in Aufruhr
versetzt. Von der Kriegsstimmung lebt kaum ein Hauch in den Arbeiten. Und wenn nicht
hie und da von jenen, die historische Vorgänge und Schlachtenbilder vergangener Zeiten
zu malen gewohnt sind, einzelne von Kämpfen erzählen würden, so könnte man meinen, im
Frieden zu leben, nur die Veduten mit verwundeten Kriegern unter den Passanten spiegeln
das Eingreifen der Ereignisse in das Leben der Großstadt mit schwachen Anklängen.
Wie alle Welt bei uns sind auch die Künstler von den großen, unerhörten Begebnissen
überrascht und im Lebensnerv getroEen worden. Aus den gewohnten Geleisen gerissen,
sind viele wohl unfähig geworden, die Sammlung und Ruhe zu konzentrierter künstlerischer
Arbeit zu finden. Und von jenen, die, im Innersten aufgewühlt, einen Ausdruck für ihre
Erlebnisse suchen, ist wohl noch kein sichtbares Zeichen in diese Räume gedrungen. Und
so atmet man hier die friedliche Luft vergangener Tage, in denen uns die wechselnden
Stimmungen der Natur, die Ruhe alter Städtchen, lauschiger Plätze und Gäßchen beglücken
konnten, in denen das einzelne Menschenschicksal hervor-trat, das Werden und Vergehen,
das Lieben und Hassen, die Feste und Alltagsstunden, Arbeit und Müßiggang des Sonder-
lebens des Einzelnen.
Außerhalb dieser Kreise, die uns einst so ganz gefangen nahmen und die nun so
vielfach gestört und zerrissen sind, wirken aber in mächtigstem Ringen Kräfte, die alle zur
gemeinsamen Tat zwingen; dort ist der Einzelne nur als eine Welle im Ozean wirksam;
losgelöst von der Familie, vom Heim, treibt ihn ein großes Zusammenwirken zwingender
Ereignisse in Zustände, die nichts Gemeinsames haben mit der Welt, die er verlassen mußte.
Bis jetzt hat sich die künstlerische Gestaltungskraft den kriegerischen Problemen
gegenüber bei uns noch untätig verhalten. Nur wer sich Vergangenes lebendig machen will,
wird gut tun, die Räume im ersten Stockwerk des Künstlerhauses aufzusuchen. In den
übrigen ist das Leben selbst tätig, ein übermächtiges neues Gestalten vorzubereiten und
ein erbarmungsloses Zerstören vorzunehmen.
EII-INACI-ITSAUSSTELLUNGEN: I. ÖSTERREICHISCHER
WERKBUND, 2. WIENER KUNSTGEWERBEVEREIN. Der
Weihnachtsmarkt ist in diesem jahre naturgemäß kein lebhafter. Das Kunstgewerbe hat
keine Beziehung zum Kriege und leider sind nicht einmal die kleinen bescheidenen Aufgaben
der Abzeichen, Denkmünzen, Ringe im Eifer und in der Eile der Herstellung genügend
überlegt worden. Sie stehen zumeist nicht auf der Höhe unserer Leistungsfähigkeit und
des Geschmackes. Wichtiger sind die Bestrebungen, welche über den Kampf und Streit
des Augenblickes hinausreichen und das Rüsten für die veränderte Lage der Zukunft zum
Ziel haben.
Auf dem Gebiete der Frauenkleidung, der Mode, sind ernste Bemühungen in den
Kreisen der Gewerbeförderung und der künstlerischen Kräfte zu verzeichnen, die dem