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Volltext: Monatszeitschrift XVIII (1915 / Heft 1 und 2)

Miniaturen und Holzschnitten, bei den ältesten Reliefs typisch ist, liegt auch dem jugend- 
lichen Erzähler am besten. Ihm ist der Naturalismus fast gänzlich fremd, und die Gesetze 
der Perspektive, die anatomische Richtigkeit beschweren ihn nicht. Er überträgt das, was 
in der horizontalen Tiefenrichtung hintereinandergestellt ist, unbekümmert in seine ver- 
tikale Bildfläche nebeneinandergestellt, ohne Verkürzung, und vermag so alle Einzelheiten 
eines Kampfes, alle Vorgänge und Details, die ihm wesentlich scheinen, mit Breite und 
Ausführlichkeit vorzubringen. Sein flüssig hingeschriebener Umriß geht über Unwesent- 
liches naiv hinweg und seine unbekümmerte Art zu kolorieren weiß nichts von Luftwirkung 
und Plastik. Wo die Naturstudie Vortritt, kommt das Empfinden oft verblaßt und schwäch- 
licher zum Ausdruck, das Reflektieren lähmt die Impulsivität. 
Darum sind so oft gerade die unteren Jahrgänge reizvoller in ihrer Unbekümmertheit 
und Natürlichkeit, während das verstandesmäßige Arbeiten der höheren Jahrgänge nicht 
immer ohne Schaden für die Ausdrucksfähigkeit vor sich geht. Das ist allerdings ein Übel- 
stand, der den Freunden jugendlicher Betätigung auf dem Gebiete der Kunst noch viel zu 
schaffen machen wird. 
Einstweilen müssen wir uns darüber freuen, daß außer der bahnbrechenden Persön- 
lichkeit Professor Öizeks bereits eine stattliche Anzahl tüchtiger Lehrkräfte auch in 
öffentlichen Schulen am Werke ist, der künstlerischen Betätigung im Zeichenunterricht 
Eingang zu verschaffen. Sie sind vorwiegend noch mit den jüngeren Kindern beschäftigt. je 
weiter aber ihre Kreise sich erstrecken, je höher hinauf ihr Einlluß, ihre Wirksamkeit reicht, 
desto näher werden sie dem schwierigen Problem zu Leibe rücken, den schönen Resultaten 
der ]ugendkurse auch ebenso erfreuliche in reifen Jahrgängen anreihen zu können. 
KLEINE NACHRICHTEN 54b 
ERLINER CHRONIK AUS DER KRIEGSZEIT. Ein leider sehr ver- 
unglücktes Bildnis Ludwig Franks, des Reichstagsabgeordneten und Kriegsfreiwilligen, 
von Lovis Corinth hängt jetzt bei Gurlitt und weckt mehr peinliches Empfinden als stille 
Sammlung der Erinnerung an dieses reine Opfer des Krieges. Man denkt, trotzdem dies 
Bild noch nach dem Leben genommen, an Goethes Wort: Der Tod ist ein mittelmäßiger 
Porträtrnaler. Diesem Tod scheint Corinth ins Handwerk gepfuscht zu haben. Er erniedrigte 
dies große freie kühne Haupt zu spärlichem Format mit gekniffenen Zügen; die machtvolle 
Stirn ward schartig und verlor die gebirgige Wucht ihres Anstiegs. Der Körper geriet 
unproportional, schwank, schief, spärlich, so daß der Kopf trotz seiner Vergewaltigung ins 
Kleinliche als überschwere Frucht daran schwankt. Und eine stumpfe zähHüssige Farbe 
gibt den Rest. So läßt dies Bildnis nichts von dem inneren Menschenwert dieses 
Betrauerten ahnen, nichts von seiner Stärke, nichts von seiner schwingenden Empfänglich- 
keit: Simsons Kraft mit Lassalles Nerven. 
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Im Antikensaal des Friedmann- und Weberschen Hohenzollernhauses wandelt man 
jetzt zwischen den Schlachten. 35000 Zinnsoldaten sind mobil gemacht und stellen in 
aquarienhaften Glaskasten im Rahmen zierlich echter Landschaftsbilder die Kämpfe der 
Weltgeschichte dar von Alt-Ägypten bis zu den Masurischen Seen. 
Viel Sinn liegt im „kindlichen Spiel". Das Heer dieser Liliputkrieger, die in Be- 
waffnung und Tracht meist nach zuverlässiger Überlieferung, unter anderen nach Menzel- 
Mustern, modelliert und gegossen sind, ist Besitz eines sarnmeleifrigen höheren Offiziers, 
der mit diesen Truppen in seinen Mußestunden strategische und taktische Studien treibt. 
Die generalstäblerische Leitung der hier vorgefiihrten Szenen übernahm der kenntnis- 
reiche Archäologe Dr. Krischen für die Vergangenheit und für die Neuzeit Leutnant Max 
Hahnemann. Die schwierige, anschaulich gelungene Regie der vielseitig wechselnden
	        
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