stils, für den Einzeltiguren in länglichen, kompliziert gestalteten Rahmen
oder Medaillons charakteristisch sind, hatte ihr Zentrum Ende des XIII. Jahr-
hunderts in Regensburg; acht Standfiguren von Babenberger Herzogen in
Heiligenkreuz bei Wien bilden ihr trefflichstes Werk.
Selbst noch die Fenster der Straßburger Kathedrale rechnen zum
Übergangsstil. Sie gehören zu den berühmtesten und wirkungsvollsten,
und ihre Farbenglut teilt diesem edelsten aller gotischen Räume Deutsch-
lands den unvergeßlichen Zauber der Stimmung mystischer Dämmerung
mit. So hat man sie wohl als gotisches Werk in Erinnerung. Aber nur
die schlanken Baldachine über den Standiiguren und die Blattmuster
nähern sich der Architektur an; ihr Figurenstil rückt sie den Marburgern
nahe.
Hier knüpft nun die Gotik an, welche in der Glasmalerei Deutschlands
die erste Hälfte des XIV. Jahrhunderts füllt und dessen Hauptstücke im
Norden Köln, im Süden Königsfelden heißen. Die enge Verbindung des
Figürlichen mit dem Ornament verleugnet der deutsche Geist auch jetzt nicht,
wo er sich - nahezu eineinhalb jahrhunderte nach dem Beginne der Gotik
in der Isle de France! - unumwunden zur französischen Formensprache
bequemt. Er erweitert das tektonische Element der Straßburger Baldachine
zu einem Riesennetz von Architekturgerüsten, Pfeilern, Wimpergen, Fialen,
Überbauten und Portalen, welche ins Teppichhaft-Ornamentale projiziert
die endlosen Flächen der gotischen Öffnungen füllen und sinnreich gliedern
und in ihren leeren Räumen vor quadrierten Teppichgründen Figuren auf-
stellen, auch Szenen; beides in der Art, wie Plastiken etwa an einem
richtigen Portal Platz finden. Die Figuren selber haben die bekannte gotische
Ausbiegung und die weich nachschleifenden Gewandfalten. Ihr Stil ist aber
nicht von dem der Statuen bestimmt, sondern von gleichzeitiger Wand-
malerei. Die ziervolle Phantastik der großen Chorfenster im Kölner Dom,
vor allem des Dreikönigsfensters, um 1320, bildet den Höhepunkt dieses
gebrechlichen und fast weiblichen Stiles. Wie sie nicht denkbar sind ohne
die ungemeine Energie, mit der die deutschen Baumeister hier die ihrem
Wesen so widerstrebende I-Iochgotik von Amiens und Beauvais sich ange-
eignet haben, nicht denkbar ohne die Gnade dieser größten Öffnungen des
größten Baumassivs jener Zeit, so findet das alles seine Vorbedingung in
dem grenzenlosen Stolz und Machtbewußtsein der Großstadt Köln, in dem
Ehrgeiz ihrer Patrizier und des umwohnenden Adels. Solche Fenster zu
stiften, konnten sich damals wie heute nur die Allerreichsten und die
Fürstlichkeiten erlauben; und die Städte selber fühlten sich als Fürstlich-
keiten. Die Overstolzen, Hardevust und Kriegedank waren es, die mächtigen
Geschlechterfamilien, die sich ebenbürtig fühlten den Grafen von Kleve,
Jülich, Holland - zum mindesten im Mäzenatentum. Der Ausdruck aristo-
kratischen Bewußtseins leuchtet von diesen wahrhaft fürstlichen Fenstern
herab, deren hervorstechendste Farbe das mit Grün durchsetzte Gold der
Architekturen bildet.