den ornamentalen Aufbauten ganz in diesen Kreis. Aber nicht sie bedeuten
den Ruhm von Königsfelden.
Was diesen Chor vielmehr als einen Markstein in der Geschichte der
deutschen Monumentalmalerei erscheinen läßt, nicht unähnlich dem Wende-
punkt, den die Fresken Giottos in der Arena zu Padua für die italienische
Kunst bedeuten, sind die übrigen acht Fenster des Königsfeldener Chores.
Die Passion Christi, das Leben Mariä und des Täufers, die Legenden der
heiligen Katharina, Klara und Franzisci sind in großen Kreisen und Vier-
pässen dargestellt, die - zum erstenmal - über die Pfosten hinweg die
ganze Fensterbreite einnehmen und den Darstellungen dadurch einen monu-
mentalen Maßstab sichern. Diese Durchbrechung der architektonischen
Grenzen bildet aber nur die Vorbedingung für die Freiheit dieser Szenen,
die nichts mit der teppichhaften Gotik der früheren drei Fenster gemein
haben, obwohl sie wahrscheinlich unmittelbar aufeinander folgten und von
derselben Werkstatt ausgeführt wurden. Der Geist, in dem sie geschaffen
sind, ist der Gotik feindlich und führt zur Erkenntnis des Lebens; nicht
denkbar ohne Befruchtung von dem Italien der Giottesken her. Die
erste Andeutung der Raumtiefe ist in diesen Szenen gegeben, in den schräg
gestellten und perspektivisch gesehenen Baldachinen und Bauandeutungen,
in der bühnenartigen Reliefschicht, in der sich die Gestalten gegeneinander
bewegen: beides geht letzten Endes auf Giottos bildmäßigen Stil selber
zurück. Mag die unmittelbare Veranlassung zu einer so folgenschweren
Umwertung der Raumvorstellung auf Pariser oder Burgunder Miniaturen
zurückgehen, mag der unbekannte Genius dieser Schöpfungen in Avignon
selbst die merkwürdigen Fresken im Papstschloß oder gar an der Quelle
in Italien Giottos und seiner Schüler Riesenwerke auf sich haben wirken
lassen: das eine ist sicher, daß er als einer der eigenwilligsten und schöpfe-
rischesten Schüler der giottesken Tradition dasteht. Das Bezeichnende ist,
daß wir kein Freskenwerk von gleicher Bedeutung im Norden kennen, daß
das erste Monumentalwerk des Realismus zwischen 1350 und 1360 aus
Glasfenstem besteht. Vielleicht konnte in der trüberen Atmosphäre des
Nordens die Kühnheit der künstlerischen Neuerungen niemals so sichtbar
und eindrucksvoll in Erscheinung treten wie in diesen leuchtenden Gläser-
feldern. Die dramatische Klarheit in den stets wenigen und deutlich aus-
einander gehaltenen Figuren, die gewandte Bewegung, die oft rührende
Schönheit des Ausdruckes bringen das deutsche Erbteil derVerinnerlichung
zum Bewußtsein. Hier ist Größe und innerste Wahrhaftigkeit, und die
strenge Gesetzmäßigkeit des Glasbildes verstärkt mit glücklichem Zwange
die Einfalt und Monumentalität der Darstellung und stellt die unschätzbare
Eroberung des rein Menschlichen gegenüber der dekorativen Symbolik
gotischer Typen ins hellste Licht.
Die Herrlichkeit und Naivität dieser Erfindungen hat ihresgleichen nur
bei Giotto und tritt ganz erst zutage, wenn man sie mit dem vergleicht,
was später an realistischen Dingen geleistet wurde, mit der engen Bürger-