man auch die monumentale Glasmalerei um 1530 als endgültig zu Grabe
getragen ansehen. Der Grund ihres Falles liegt keineswegs in dem Durch-
dringen der perspektivischen und anatomischen „Richtigkeit", welche die
reisenden Künstler aus Italien heimbrachten. Dieses Prinzip fand vielmehr
in Deutschland kaum mehr Gelegenheit, sich zu betätigen, da mit dem
Erlöschen der Spätgotik die Kirchenbauten und das Bedürfnis nach Glas-
fenstern aufhörten. So wenig es in Italien in erheblichem Umfange Monumen-
talfenster gegeben hatte, so feindlich war auch die Raumbildung der Renais-
sancekirche und erst recht die des Barock den farbigen Scheiben gesinnt.
Als eine Schöpfung der romanischen Baukunst hatte das Figuren-
fenster begonnen. Seine mystische und strenge Feierlichkeit war unlösbar
verbunden mit dem Begriff des nordischen Kirchenraumes, seiner geschlos-
senen Einheit, seinem monarchischen Prinzip der Überordnung des Archi-
tektonischen. Das Fenster war die Fortsetzung der Wand, nicht die Licht-
quelle in erster Linie. Der italienische Renaissanceraum bereitete ihm mit
seiner Forderung klarer Proportionen und Aufhellung durch Tageslicht den
Todesstoß; das Barock ging noch einen Schritt weiter und stellte das helle
Licht in seine Rechnung von Raumwirkungen ein. Damals sind vielleicht
mehr alte Scheiben absichtlich zerstört und durch weißes Glas ersetzt
worden als durch Kriege und Bilderstürmer. Die Nachblüte der deutschen
Glasmalerei vor allem in der Schweiz bis tief ins XVII. Jahrhundert gilt
lediglich der Kabinettscheibe und bedeutet künstlerisch wenig mehr als
einen Nebenzweig der gleichzeitigen Graphik. ,
Wohl aber kann man außerhalb Deutschlands die Folgen des italie-
nischen Formeneinbruchs an großen Fenstern kennen lernen. Frankreich
bewahrt sich auch hier die angeborene Logik und Mäßigung; die Fenster in
Montmorency, Autun, Gisors und andern Orten gehen kaum über die
Grenze hinaus, die bei uns Holbein und Baldung bezeichnen. Die Nieder-
lande sind es, die mit dem Fanatismus der gründlich Bekehrten dem Fenster
künstlerisch den Garaus machen. Dirk Vellert genannt van Star, den Dürer
auf seiner niederländischen Reise in Antwerpen besuchte und hochschätzte,
führt das Bildmäßige konsequent nach der Richtung durch, daß hinter dem
Maßwerk sich eine einheitliche Szene in illusionistischem Sinne vollzieht
(Hauptwerk in King's College Chapel zu Cambrigde von 1528). Das aus-
schlaggebende Motiv dieses Illusionismus, die Vorherrschaft perspektivischer
Architekturlinien, wird aber erst um die Mitte des XVI. Jahrhunderts in
Holland zu methodischem Aberwitz hinaufgeschraubt, in der Amsterdamer
Oudekerk, wo Pieter Aertsen, und in St. jan zu Gouda, wo Lambert von Stoort
vier von dreißig Riesenfenstern entwarf. Die gewaltigen Pfeiler und Gewölbe
bramantesker Bauten sind hier im verwegensten Sinne zu Helden der Glas-
gemälde erhoben. Die Figuren stehen in demselben räumlichen Maßstab
darunter wie bei Raffaels Schule von Athen. Der Widerspruch liegt darin,
daß mit doktrinärer Absicht jeder Flächenwirkung entgegengearbeitet ist
und die steile Führung verkürzter Gesimsmassen, durchgehende Tonnen-