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Altar ansetzen müssen. Inwieweit Joerg Kölderer oder der Bildhauer Anteil
an dem Altaraufbau, der Anordnung der Bildwerke und der kompositionellen
Anlage der Szenen haben, läßt sich nicht entscheiden. Immerhin sind wir in
der Lage, einige aufschlußreiche Blicke in den Werkstattbetrieb werfen zu
können, wenn wir die Flügel betrachten (Abb. xo und 11). Die Reliefszenen
der heiligen Sippe wird man als Originalkompositionen ansprechen dürfen;
bei der Verlobung Mariä mit ihrer fast symmetrischen Anordnung der Figuren
um den I-Iohenpriester als Mittelachse könnte man vielleicht an Dürers Holz-
schnitt aus dem Marienleben B. 82 als ganz frei verarbeitetes Vorbild denken,
wenn man schließlich nicht annehmen will, daß die Gruppierung der wich-
tigsten Personen um das Mittel die selbstverständlichste und einfachste Lösung
ist. Anders aber das Relief des T empelganges Mariä. Ihm hat der Bildhauer
Albrecht Altdorfers Komposition B. 6 aus der Holzschnittfolge des „Sünden-
falls und der Erlösung des Men-
schengeschlechts" zugrunde gelegt
(Abb. 12). Der Bildhauer hat das
Vorbild, was die Hauptpersonen
anlangt, wörtlich übernommen
ä man beachte nur, wie Josef die
„Tempeljungfrau" unterstützt -,
bereicherte aber die Architektur,
die bei Altdorfer nur eine rund-
bogige Nische zeigt, mit einem
gotischen Rippengewölbe und Fen-
stern und vertiefte die Perspektive
der Szene. Friedländer datiert Alt-
dorfers Folge glaubhaft in die Zeit
von 1511 bis 1517, genauer um das
Jahr 1514, so daß wir also den
Altar frühestens um 1515 ansetzen
dürfen.
Mit unserer Wahrnehmung
wird Altdorfers Beziehung zur
Kunst Tirols zum ersten Male si-
cher nachgewiesen, nachdem man
hinsichtlich des Zusammenhanges
zwischen der südtirolischen Kunst
und der Donauschule bisher über
Vermutungen nicht hinauskam.
Selbst wenn wir also inW0lf Huber,
der 15 18 in einer auf den Andre Hal-
ler, Maler zu Brixen, bezüglichen
Urkunde als Zeuge genannt wirdf"
Abb. r3. Holzrelief der Verkündigung des Engels an
Joachim im Klerikzlseminar zu Freising " Hans Semper a. a. 0., S. x33.