Blick auf den Schattenweg. Eine giildene Kette trägt er um den Hals und im Ohrzipfel
einen Ring. Dämmerung schwebt um ihn, der Glanz freudiger Maler- und Zechertage liegt
weit dahinten. Und daneben hängt Hendrickje Stoffels, das warme betuliche Haustier -
die „Schwerfällige, Dumpfe, Gute" nennt sie Emil Ludwig -, die der Einsame sich
genommen, da Saskia, die Einzige, schied.
Dies Berliner Bild (Sammlung Robert von Mendelssohn) gibt im Gegensatz zu der
Hendrickje im Louvre, die nach Art der Saskia-Porträte mit schwelgerischer Schmuck-
und Stoffphantasie gesteigert ward, die handfeste niederländische Magd, den treuherzigen
„Bettschatz", ins Umschlagtuch gewickelt, die Arme ineinandergetan, wie es die einfachen
Weibsleut' beim Schwatz vor der Haustür machen.
Nicht so sprechend tritt hier Rubens hervor mit der Grisaille „Zug des Silen", voll
wabernden Schlemmeriieisches, eine Studie zu dem bekannten Gemälde.
Frans Hals aber strotzt in all seiner Pracht. Die Frau in der Halskrause aus der
Galerie von der Heydt, wuchtig leibhait, eine „Regentin" und Walterin; der Mann
(Sammlung Gumprecht), tonig gelbgrau, voll und doch in einer unstofflichen Farbe hin-
gestrichen, erweist Hals als einen der großen Ahnen Manets.
Ein Jordaens, Mann und Mädchen mit 0bstkorb,'lacht schmatzend und mit blinkenden
Zähnen, animalisch sinnenhaft wie eine kreischende Hämische Kermes.
Van Steens und Teniers Alltagsausschnitte kunterbunter Lebensvergnüglichkeiten -
die ein Dusterer als Todsünden malen würde - gehen im Gefolge. Sie sind ziemlich typisch,
wir suchen lieber in verweilenderer Stimmung das Besondere.
Da Bimmert eine Landschaft von Averkamp „Maskenfest auf dem Eise" (Geheimrat
Stumpfs Besitz). Sie gehört in die dekorative Reihe Breughelscher Winterbilder. Doch von
zarterer Rasse. Wenn diese breitflächig an das Plakat erinnern, so denkt man bei diesen
miniaturhaften Zieraten von Figurinen und spiegelndem Hintergrund an huschige Lack-
malerei auf Dosen und Tabletten. Und schmeichlerisch klingt in der krisseligen Rauhreif-
helle, die das Bild beherrscht, ein sanftes Blau hervor.
Durch das Seltsame der Komposition fällt die „Genreszene" von J. Vrel auf: Eine
hohe gefelderte Glasscheibe trennt Vorder- und Hintergrund. Vorn im Diesseits hockt auf
kippendem Binsenstuhl eine Alte nach vom gebeugt zu der Scheibe, hinter der - also im
Jenseits des Gemäldes - ein Kinderkopf auftaucht. Das Medium des Fensters mit seiner
Nähe und seinem Trennenden gibt, auch abgesehen von dem schwingenden Lichteffekt,
eine eigene Wirkung. Grillparzer charakterisiert es einmal als einen der heftigsten Ein-
bildungsreize, wenn ein Mann und eine Frau, geschieden durch eine gläserne Wand, auf
dieser durchsichtigen Mauer die Lippen zu einer imaginären Zärtlichkeit pressen.
Von allerhöchsten Graden erscheint das Doppelbild von Mutter und Tochter des
Bartholomäus Bruyn des Jüngeren (Galerie Kaufmann). Die Mutter steht hinter dem
Mädchen, das ihr nur bis zu den Hüften reicht, in einem Kirchengestühl, eine Körper-
architektur voll Haltung und Geschlossenheit, groß geformt in der Farbe von Braun, Rot,
Schwarz, die Gesichter sehr bleich, der Mutterkopf besorgt, erfahren; das Kinderantlitz in
frühem Ernst, mit altem Zug, befangen in der beklemmenden Würde des feierlichen Augen-
blicks; beseelte Hände (wundervoll darin das rote Gesangbuch) und festgeschlcssene
niederdeutsche Lippen.
Einen der seltsamsten Meister grotesk unheimlicher Visionen trifft man, den Hiero-
nymus van Bosch. Seine Verspottung Christi (ebenfalls aus dem Hause Kaufmann) zeigt
eine wilde Lust an den Grimassen der Bosheit. Bosch variiert die meckernden, Hetschenden,
wut-zerrigen Mienen entmenschten Schaupöbels voll diabolischen Vergnügens daran, wie
sich doch die Gebärden des „Ebenbildes der Gottheit" verstellen können.
Aus italienischem Bereich blickt unnahbar abweisend unterm Schleier eine Gentil-
donna des Ghirlaudajo, mit erlauchtem Geschmeide angetan (Sammlung Gumprecht).
Ein großer Greco fesselt in seiner raffinierten Auffassung des Laokoon-Themas. Wir,
die wir davor standen, sagten aus einem Munde: Russisches Ballett. Der geheimnisvolle