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An die Zeit der religiösen Wirren nach der Schlacht am Weißen Berge erinnert die
aus dem östlichen Böhmen stammende Sage von der Rosenwiese. Unweit von Leitomischl,
das einst die bedeutendste Stadt der böhmischen Brüder war, hinter dem Dorfe Morasitz
ist zwischen Feldern beim Walde ein kleiner Anger, auf dem niedrige Sträucher mit
eigenthümlichenRosen, die gewöhnlich im Juni blühen, wachsen; in Blumentöpfen amFenster
gedeihen diese Rosen nicht. An dieser Stelle, erzählt die Sage, kamen die böhmischen
Brüder aus der weiten Umgebung zusammen, bevor sie ins Exil gingen. Hier beteten sie
zum letzten Mal gemeinsam, verrichteten ihre Andacht, und nachdem sie dann ihren
goldenen Kelch vergraben hatten, nahmen sie Abschied von ihrer Heimat. Und auf diesem
Anger, der auch bei den späteren Generationen eine gewisse heilige Scheu erweckte,
wuchsen die erwähnten dunkelrothen Rosen hervor, und Niemand wagte es, so leicht die
denkwürdige Stätte zu berühren. Und wer es that, der hat es bitter gebüßt, wie der
Bauer, dem, als er den Anger umzuackern begann, die Pferde lahm wurden. Einem
anderen, der dennoch ein Stück davon nmgeackert und Lein darauf gesäet hatte, verbrannte
die Tochter beim Dörren dieses Leines. Dieser Rosenanger war nur in der Umgebung
bekannt, aber Staunen erregte es, als einige russische Officiere, die im Jahre 1813 mit
ihren Truppen gegen Napoleon zogen und in die Gegend kamen, nach dem Rosenanger
frugen. Und als sie hinzukamen, da knieten sie nieder, rutschten auf den Knieen heran und
beteten inbrünstig. Auf diesem Rosenanger werden einst auch drei Potentaten Zusammen
kommen, und dann erst wird der wahrhafte Friede herrschen und jeder Krieg wird
aufhören. So erzählt die Sage, in diesem Falle sozusagen ein Wiederhall der Ideen der
böhmischen Brüder.
Die Verheerungen des dreißigjährigen Krieges konnten freilich nicht aus dem
Gedächtniß des Volkes entschwinden. Aber die Erinnerungen daran haben sich zumeist
in verschiedenen örtlichen Sagen erhalten. Im westlichen Böhmen, besonders in der
Umgebung von Taus, wird viel von Johann Sladkh, genannt Kozina, erzählt, wie er die
alten Privilegien der Choden gegen Wolf Lamminger von Albenrent vertheidigte und wie
er, ungerecht zum Tode verurtheilt, den genannten Edelmann vor das Gericht Gottes
forderte und wie Herr Lamminger noch vor Schluß desselben Jahres auf seinein Sitze
Chodenschlooß bei Taus, vom Geiste Kozina's gerufen, eines plötzlichen Todes starb.
Zu den historischen Sagen gesellen sich noch verschiedene Weissagungen, die
beim böhmischen Volke seit jeher beliebt waren. Die ältesten und auf heimischem Boden
entstandenen sind jene, die von der Fürstin Libusa herrühren und welche später
Krivojen Budek niedergeschrieben haben soll. Die angeblichen Weissagungen der
Libusa betreffen die Schicksale Böhmens, den Reichthum dieses Landes in den künftigen
Bergwerken, wie in Eule, Pribram, Kuttenberg und sonst auch. Neben diesen-kamen auch