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Volltext: Monatszeitschrift XVIII (1915 / Heft 11)

Matielli auch sonst an dem bildnerischen Schmucke des Altars beteiligt 
war. Wir wollen hier noch auf eine Einzelheit der Altaranlage in Mariazell 
hinweisen, nicht um irgendwelche Schlüsse daraus zu ziehen, sondern um 
andere anzuregen, bei weiteren Forschungen darauf zu achten. Bekannt- 
lich hatte die, heute ziemlich hoch aufgestellte, Weltkugel ursprünglich 
auf dem Altare selbst ihre Stelle, war zu öffnen und diente als Taber- 
nakelfk Eine verwandte Lösung finden wir bei dem Altare der Pfarr- 
kirche zu Dürnstein in Niederösterreich, wo aus der Wand über dem Altar- 
tische eine Halbkugel heraustritt, die sich durch ihre ganze Erscheinung 
und die iigürlich-sinnbildliche Darstellung gleichfalls als Weltkugel darstellt, 
gleichfalls zu öffnen ist und gleichfalls als Tabernakel dient (Abb. 7)". Dieses, 
nach der Überlieferung von johann Schmidt, Vater des sogenannten 
„Kremser Schmidt", in Holz ausgeführte Werk trägt die Jahreszahl 1726, 
ist also jünger als der Mariazeller Altar, so daß wir bei ihm sehr wohl 
an eine Beeinflussung durch das Vorbild des weltbekannten Wallfahrtsortes 
denken können. 
Wir werden dann noch ein drittes Werk kennen lernen, nämlich das 
von Känischbauer ausgeführte Paziiikale in der geistlichen Schatzkammer 
zu Wien, das gleichfalls eine Weltkugel, und zwar diesmal eine kristallene 
Hohlkugel, als Hauptmotiv zeigt und in der Mitte ein Kreuz mit Kreuzpartikel 
enthält (Abb. 8). Ob es sich aber um eine solche Reliquie handelt oder 
um die Hostie, jedesmal soll offenbar ausgedrückt werden, daß Christus und 
die heilige Lehre den Mittelpunkt der Welt bilden.""'"" Der Gedanke liegt der 
christlichen Anschauung so nahe, daß es wohl vergeblich sein wird, nach- 
zuforschen, wo er mit Worten zuerst ausgesprochen wurde; etwas anderes 
ist freilich die bildliche Darstellung dieser Idee, von der wir uns nicht 
erinnern, sie vorher in ähnlicher Art gefunden zu haben, so daß wir sie 
vielleicht als eine Tat der barocken Kunst dieser Zeit, ja Fischers von 
Erlach selbst, ansehen dürfen. 
Wir kehren jedoch wieder zu Känischbauer zurück. 
P. Rodler erwähnt auf Seite III (unter Nr. 1141 des Schatzkammer- 
verzeichnisses) auch noch: „Ein Kruzifix samt Postament aus Achatstein, 
die Figuren aus Silber, emailliert, mit Rauten, Brillanten und Smaragden 
geziert" und führt fort: „Als Karl (späterer Kaiser Karl VI.), der zweitgeborene 
Sohn Kaiser Leopolds I., von diesem am n. September 1703 unter dem 
Namen Karl III. zum König von Spanien erklärt wurde, kam er am 15. Sep- 
tember 1703 mit seinem ganzen Gefolge hieher und opferte dieses Kreuz, 
welches vermutlich vorn kaiserlichen Kammergoldschmidt ]ohann Kanisch- 
bauer aus Hohenried angefertigt wurde." Nebenbei bemerkt, sind die daran 
"' Rodler, a. a. 0., Seite 63, 64. 
'" „Österreichische Kunsttopographie", wonach unsere Abbildung, Band I, Figur 28 und 29 (auf Seite 95 
und 96), Beschreibung auf Seite 99. 
4"" Die Kreuzpartikel nehmen in der katholischen Kirche bekanntlich eine besondere Stellung ein; so 
verhält sich der katholische Priester vor einer ausgesetzten Kreuzpartikcl so, wie wenn sich das Allerheiligste 
irn Tabernakel verschlossen befinde. Es kann uns hier also die ähnliche künstlerische Behandlung nicht über- 
raschen.
	        
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