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Westen und Norden Europas drang. Frankreich und England haben zuerst
jenen romantisch-sentimentalen Neigungen nachgegeben, die eine naturali-
stische Auffassung des Gartens bewirkten und deren Nachwirkungen auf den
Kontinent so heftig und so nachteilig waren. Leider haben wir die Auswüchse
dieser Bewegung noch immer nicht überwunden.
Aus der historischen Folge ist sehr deutlich erkennbar, wie rasch die
naturalistische Gartenbewegung jede künstlerische Führung verlor und wie
sehr sie auf Abwege geriet.
Schon daß man die Gartenkunst in der sentimentalen Periode der
„Malerei" anschloß und von der Architektur trennte, also einen Gegensatz
zwischen Bauwerk und Garten begünstigte, kennzeichnet die falsche Rich-
tung; sie führte zu einer schädlichen Rückwirkung auf die Baukunst selbst,
die durch malerische Prinzipien abgelenkt wurde.
Nicht von innen heraus, "aus großen klaren Grundsätzen einheitlicher
Disposition wurde geschaffen, sondern mit Rücksichtnahme auf spielerische
Detailwirkungen, die eine Naturparallele, eine Nachahmung von Zufällig-
keiten abwechslungsreicher Art erstrebte. Es ist charakteristisch, daß die
Bewegung darin endete, daß Dilettanten den Künstler verdrängten und daß
Empündsamkeit die Disziplin ersetzen mußte.
Wenn noch Schiller „eine mit Geist beseelte, durch Kunst exaltierte
Natur" im naturalistischen Garten erblickte, der ja anfänglich durch die
damals allgemeine Opposition gegen den despotischen Geist einer starren
Tradition gefördert wurde, so wandten sich doch bald die künstlerisch Hoch-
stehenden von der beginnenden Verwilderung des Geschmackes ab. Goethe,
der anfänglich im Weimarer Schloßpark sentimentalen Einflüssen nachhing,
hat später im eigenen Garten die architektonischen Richtlinien wieder vor-
gezogen, die sich von selbst aus der einfach vornehmen Gestaltung seines
eigenen Wohnhauses ergaben.
Sicherlich ist der Gedanke richtig, daß bei räumlich ausgedehnten
Parkanlagen, in welchen natürliche Terrainbewegungen, Hügel, Wasser-
läufe, alter Baumbestand landschaftliche Bedeutung und Schönheitswerte
besitzen, dem Vorhandenen zu folgen ist und in Vegetation und Menschen-
werk jene Steigerung des Vorhandenen zu bewirken ist, die vom mensch-
liehen Schaffen stets erstrebt werden soll.
Das sind aber Grundsätze, die im freien Gelände, nicht aber in der un-
mittelbaren Nähe dominierender Gebäude angewendet werden sollen.
Der Hausgarten, der Schloßpark, der Stadtgarten werden stets ihre
Dominante im Bauwerk zu finden haben. Damit ist auch der Rahmen
gekennzeichnet, innerhalb dessen die fruchtbringende Nachwirkung histo-
rischer Gartenstudien einsetzen soll.
Auch in den weiteren und Schlußkapiteln des Gotheinschen Werkes
wird die Rückkehr zum alten Garten dargestellt, die gerade in jenen Ländern
hervortritt, wo die Förderung des naturalistischen Gartens begann. Man wurde
dort der bösen Geister bald Herr, die man gerufen hatte, während am Kon-