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Volltext: Monatszeitschrift XVIII (1915 / Heft 3 und 4)

Einsatz ihres Könnens schon lange bewußt als notwendig vertreten und 
verkünden. 
„Ein freudiges Bewußtsein darf heute jeden Gartenliebhaber und 
Künstler erfüllen, daß dieser Kunst in unserer Zeit eine fruchtbare und 
bedeutende Entwicklung zugefallen ist." So schließt das gediegene Buch. 
AUS DEM WIENER KUNSTLEBEN Sie VON 
HARTWIG FISCHEL-WIENSIP ' 
NGARISCHE HAUSINDUSTRIE. In einem kleinen Raume des ungarischen 
Ministeriums in der Bankgasse wurde eine interessante Ausstellung bäuerlicher 
Stickereien aus Nordungarn veranstaltet. Zumeist farbige Seidenstickereien in Flach- 
stich, die von zwei Bäuerinnen, aus Mezökövesd bei Miskolcz, angefertigt wurden. Die Arbei- 
ten sind Für die städtischen und vornehmen Bedürfnisse und nicht als Heimarbeiten für die 
eigenen Bedürfnisse der Stickerinnen hergestellt worden; diese sind offenbar beeinliußt von 
einer außerhalb ihres Wirkungskreises liegenden Initiative, wie diese ja von ungarischen 
Aristokraten nicht selten geübt wird. 
Diese Feststellung ist insofern von Wichtigkeit, weil hier nicht, wie sonst so häufig, 
eine Verflachung und Banalisierung alter traditioneller Kunstübung, sondern eine vor- 
treffliche Anpassung an neue Aufgaben eintrat. 
Die Frauen verfertigen selbst ihre Entwürfe und benützen dabei jene alten und wert- 
vollen stilisierten Ornamente und Pfianzenforrnen, der Blüten von Tulpen und Lilien, der 
Pfauenfedern und Palmetten, welche vom Ostrande Siebenbürgens bis an die Leitha noch 
heimisch sind. Sie vermögen diese Formen aber mit einer Flüssigkeit und Leichtigkeit des 
Striches hinzusetzen, die wie eine ausgeschriebene Handschrift dem Willen gehorcht. 
Die rhythmische Aneinanderreihung gelingt ihnen zumeist, so daJ] sie imstande sind, 
relativ große Flächen (wie jene von Tischdecken) vollkommen zu füllen und glücklich zu 
gliedern, wobei das Gesamtbild harmonisch ist und das Detail doch auch interessant bleibt. 
Durch eine vorwiegende ruhige Farbenwahl, in der mehr die metallischen Töne von 
Kupfer, Bronze, Stahl als das bunte und mitunter harte Zusammentreßen ungebrochener 
Farben hervortritt, ist auch die farbige Stimmung zumeist ausgeglichen und nicht brutal. 
Man würde fast an die schönen javanischen und indischen Seidenstickereien für die 
Kleidung der Frauen erinnert, wenn nicht die kräftige großiormige Zeichnung und die 
stärkere vielfarbige Wirkung den ungarischen Typus als den ursprünglich maßgebenden 
erscheinen ließe. 
Die beiden Bäuerinnen erschienen in ihrer so dekorativen alten Nationaltracht, bei 
der das Schwarz vorherrscht und besonders ein äußerst wirkungsvoller Kopfputz auffällt. 
Es ist ein Vergnügen, ihnen beim Entwerfen zuzusehen, weil das I-Iinschreiben 
ornamentaler Einfälle ohne Vorarbeit so selbstverständlich erscheint und doch so lange 
Übung und Sicherheit voraussetztuEs ist auch eine Freude zu sehen, daß bäuerliches 
traditionelles Können doch auch in Osterreich auf breiterer Basis weiterentwickelt werden 
kann und nicht unbedingt von der Scholle abhängig bleiben muß. 
In den skandinavischen Ländern sind_die Künstler dafür eingetreten, die Anregungen 
der Bauernkunst aufzunehmen. Auch in Osterreich sind schon oft solche Bestrebungen 
aufgetreten, die namentlich dem modernen Kunstgewerbe manchen wertvollen, erfri- 
schenden Impuls gegeben haben. 
Man muß nur immer wieder bedauern, daß die zielbewußte, konsequente und künst- 
lerisch geleitete Tätigkeit des Schutzes der lebendigen I-Ieimatkunst auf dem Gebiete des 
Kunstgewerbes noch fast vollständig versagt. Der Standpunkt der Wohltätigkeitsalttion
	        
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