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Volltext: Monatszeitschrift XVIII (1915 / Heft 3 und 4)

Solches zu geben, scheint auch Kampfs Wunsch zu sein, soweit es der Karton- 
entwurf beurteilen läßt. Die Komposition deutet schon darauf, besonders die Verlegung des 
Vorgangs aus dem Hörsaal auf einen Freiluftschauplatz. Vor dem Brandenburger Tor - 
seine Säulen und seine Attika ohne die von Napoleon entführte Viktoria steigen im Hinter- 
grund auf - ist die Szene. Im Mittelpunkt der Redner auf einem aufgeschütteten Erdhügel, 
um ihn in stilisierter Gruppierung das Volk, zu seinen Füßen sitzend, auf den Gelände- 
abhang gelagert, im äußeren hinteren Halbrund am Horizont des Bildes aufrecht stehend, 
sodaß eine Amphitheaterrundung ansteigend sich ergibt. Das unvermeidliche Motiv, diese 
Volksvertretung nach Ständen und Typen unterscheidend zu gliedern, ward nicht ver- 
schmäht. Und in den farbigen Einzelstudien lassen sich diese deutschen Köpfe noch 
genauer betrachten. 
Amblassesten gerieten die Mädchen, Allgemeinplatz-Thusnelden und Kriegerdenkmals- 
Heroinen im Empiregewand. Nach Schablone sieht auch der Handwerksmann im Schurz- 
fell aus, der Prediger im Talar und Bäffchen, der Bürger in hohem Hut, Knopfstock und 
Kragenmantel und der Soldat im Tschako. 
Beseelter und wesenhafter blicken der Student in altdeutscher Tracht, mit dem 
weichen Umfallkragen, der breitkrämpigen Burschenmütze, den Schwärmeraugen im 
weichen Träumerantlitz, dann einige Gelehrtenköpfe, gedankengemeißelt mit erhabenen 
Stirnen und großgeschwungenen prophetischen Lippen. Man denkt an Romantiker- 
Gesichter dabei, an Achim von Arnim und an Schelling, die Granitnatur. 
Und aus so gutem Stoff gedieh auch die Hauptperson Fichte. Auf seiner Erderhöhung 
steht er in bewegter schreitender Haltung, den weichen über die Stulpenstiefeln fallenden 
Rock mit der linken Hand zur freieren Bewegung aufgerafft. Und unbewußt und unwill- 
kürlich bekommt das bürgerliche Kleid durch den Faltenwurf etwas von der Feierlichkeit 
der Toga auf dem Forum. Die rechte Hand mit gestreckten Schwurfmgern hebt sich voll 
Beschwörergebärde zum Himmel. Am eindrucksvollsten aber bleibt das Haupt. Unbedeckt, 
von Flatterhaar umzüngelt, ragt es; es scheint in einem elementaren Naturprozeß die Sätze 
herauszuwerfen. Man fühlt in der Spannung der Züge das gewaltige Ringen des Gedankens 
und in dem erregunggeschwellten Mund die Schwungkraft des lebendigen feurigen Wortes. 
An Treitschke, wenn auch die Grundform des Gesichtes eine ganz andere, erinnert 
dies eruptive, von stoßenden Gewalten des Inneren aufgewühlte Rednerprofil in seinem 
Leidenschaftsgrad. 
Und man glaubt es, daß dieser Mund 'die Donnerworte entsenden könnte, die der 
wirkliche Fichte, das Urbild, seinen Hörern zurief: 
„Der deutsche Geist wird neue Schachte eröHnen und Licht und Tag einführen in 
ihre Gründe und Felsmassen von Gedanken schleudern, aus denen die künftigen Zeitalter 
sich Wohnungen erbauen." F_ P_ 
AS THEATER DER ZVVEITAUSEND. Zwischen Schlachten und Waffen 
eröffnet die Neue Freie Volksbühne ihr neues aus eigener Kraft errichtetes Theater. 
Sie hat „gebauet ein stattliches Haus" und sie kann stolz darauf sein. 
Der einer solchen Aufgabe am zuverlässigsten in Erkenntnis und Geschmack gewachsen 
ist, ward zum Baumeister erwählt: Oskar Kaufmann. Und er schuf nun mitten im alten 
Berlin, auf dem Gelände des abrasierten berüchtigten Scheunenviertels, das schönste 
Theatergebäude der Hauptstadt. 
Auf dem großen, freigelegten Bülowplatz im Zuge der Kaiser Wilhelm-Straße steigt 
es auf in einer rein aus der Zweckform entstandenen Monumentalität: ein gewaltiger Block, 
aus dem das Bühnenhaus in der Mitte, das grau gedeckte Dach durchstrebend, mächtig 
emporwächst. Die Seitenfronten in körnigem Edelputz strecken sich lang und schmucklos 
und werden ihre Gliederung noch durch die Schwibbogen erhalten, die sich von ihnen 
zu den geplanten flankierenden Seitengebäuden ziehen sollen. Der Bewegungsreiz der 
Baumasse kommt aus der Vorder- und Hinterfront.
	        
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