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Volltext: Monatszeitschrift XVIII (1915 / Heft 7 und 8)

Gewiß lagen die VerhÀltnisse besonders seit Kaiser Josefs II. Zeiten fÃŒr 
die Wiener Seidenweber in vieler Beziehung sehr gÃŒnstig, doch dÃŒrfen wir 
nicht glauben, daß Wien in jener Zeit eine Art Schlaraffenland war, in dem 
man nur mit oHenem Munde dazuliegen und zu warten brauchte, bis die 
gebratenen Enten wohl zubereitet und zerlegt heranflogen. 
Allgemeine Vorstellungen versagen oft sehr, wenn wir ins Einzelne 
eindringen, so auch hier; deshalb dÃŒrfen wir im folgenden das Eingehen in 
Einzelnheiten auch nicht scheuen. FÌrwahr, auch damals gehörten Geschick- 
lichkeit, Fleiß und Unternehmungsgeist dazu, wenn man die Gelegenheit 
wenigstens beim Schopfe erfassen wollte. Und wir werden sehen, daß sich 
in der NÀhe manches anders darstellte als heute im verklÀrenden Schimmer 
der Vergangenheit. 
Im ganzen handelt es sich bei der österreichischen Seidenweberei ja um 
keine sehr femen Zeiten. Immerhin ist das Zeitalter, das uns hier hauptsÀchlich 
beschÀftigen soll, inzwischen "historisch" geworden. Es liegt uns, wenn wir 
so sagen dÃŒrfen, doch schon so fern, daß es uns als Allgemeinheit geistig 
wieder nÀhergerÃŒckt ist, daß wir ihm nicht mehr als einem zu Überwinden- 
den oder eben erst Überwundenen feindlich gegenÃŒberstehen, daß uns das 
Unangenehme jener Zeiten nicht mehr persönlich krÀnkt, daß wir vielfach 
dort sogar nur das Gute sehen, das uns heute gerade fehlt, und daß die blau- 
ende Ferne uns alles milder und einheitlicher erscheinen lÀßt. Darin liegt auch 
die ErklÀrung, warum wir seit einer Reihe von Jahren jener Zeit wieder 
gerechter, bisweilen sogar voreingenommen, gegenÃŒbertreten, weshalb wir 
uns wieder eingehender mit ihr beschÀftigen und Verwandtes in ihr finden 
können, ohne rÌckschrittlich zu erscheinen. Wir wollen uns deshalb auch 
keineswegs auf den Entdecker einer verkannten Schönheit hinausspielen, 
obwohl wir vielleicht sagen dÃŒrfen, daß die Schönheiten der Stoffe jener Zeit 
bisher noch am wenigsten gewÃŒrdigt werden konnten; denn die meisten Samm- 
lungen sind in einer Epoche entstanden, die fÃŒr jenes Zeitalter am wenigsten 
VerstÀndnis besaß. 
Über die Àußeren VerhÀltnisse des österreichischen Gewerbes und 
Kunstgewerbes sind wir fÃŒr die Zeit zu Ende des XVIII. und zu Beginn 
des XIX. Jahrhunderts, die uns hier vor allem beschÀftigen, im allgemeinen 
vielleicht besser unterrichtet als Ìber die meisten andern Epochen öster- 
reichischer Entwicklung. Es ist bereits eine Zeit reichen Schaffens, aber 
doch noch nicht so umfangreichen, daß sich das Geleistete nicht mehr ÃŒber- 
blicken ließef" 
Das Werk von Stephan Edlen von Keeß „Darstellung des Fabriks- und 
Gewerbewesens im österreichischen Kaiserstaate" (Wien 181g ff.) und die von 
demselben sowie von W. C. W. Blumenbach herausgegebene Fortsetzung 
unter dem Titel „Systematische Darstellung der neuesten Fortschritte in den 
' Ein Aufsatz von Eduard Leisching ÃŒber "Kunst und Industrie in Österreich vor hundert Jahren" (in 
dieser Zeitschrift 1915, Seite x H.) bietet bereits mehrere Hinweise auf die Àltere österreichische Weberei. Im 
allgemeinen wÀre auch das von demselben redigierte Werk "Der Wiener Kongreß" (Wien, x8g4) heranzuziehen, 
in dem zahlreiche Denkmale österreichischer Kunst jener Zeit abgebildet sind.
	        
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