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Volltext: Monatszeitschrift XII (1909 / Heft 6 und 7)

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Abb. 83. Grüne Kachel mit einem jungen Paar zu Pferde. Tirol, um 1500. Höhe otzo Meter 
kommener Abhängigkeit von dem Bilderkreis, den sich die deutsche Fliesen- 
keramik angeeignet hat. Nicht groß ist der Bilderreichtum, der sich auf ein- 
zelne Figuren und auf stilisiertes Püanzenomament beschränkt. Der Hang 
zum Wunderbaren, der Glaube an Lebewesen von ungeheuerlicher Gestalt 
und überirdischen Kräften beherrscht die Phantasie des Handwerkers. Der 
Vogel Phönix, den der christliche Sagenkreis als Symbol ewiger Verjüngung 
 
Abb. 84. Gesimskachel mit partiell aufgetragene: gelbgrüner Glasur. 
Zwei Engel halten eine Bandrolle mit der Aufschrift „O die zix kumt". Nurdschweiz, vor 1500. Höhe 01x Meter
	            		
vom Orient übernommen hat, ist auf einer elsässischen Gesimskachel dar- gestellt. Auf einem gehörnten Untier reitet ein wilder Mann, am ganzen Leibe behaart, der Bewohner des finsteren Waldes (Abb. 80). Es ist die Figur, der wir für den Zeitraum von 1470 bis etwa 1530 auf zahlreichen Kacheln begegnen, der Abkömmling der klassischen Faune und Panisken, ein all- Wissender und kräuterkundiger Elementargeist und Vegetationsdämon. Stets ist er mit einem Holzprügel oder einem Baumstrunk mit anhängenden Wurzeln ausgerüstet. Wie Silvanus, der klassische Gott der Herden und lljllwillÄli-Qlilja; w, "I _i' r f _r I? 1 I ,r z I , w, Xßrxlxxiiß Abb. 85. Schweizer Kachel mit jungem Hochzeitspaar. Ohne Glasur. Vor x5oo. Höhe 025 Meter Felder, reißt er sich diese Waffe aus dem Boden und so verkörpert er phy- sische Kraft, persönlichen Mut und Gerechtigkeit (Abb. 8x). Wegen solcher Eigenschaften tritt er an die Stelle des Löwen und findet wie dieser in der Heraldik Verwendung; hier wieder am häufigsten als Wappenhalter ent- weder vollständig am Leibe behaart, in Baumrinde und grünes Moos gekleidet oder nur mit langem, bemoostem Haar. Beim Halten des Wappen- schildes hilft ihm oft ein Moosweibchen (dame verte) (Abb. 82). Um die gleiche Zeit springt der Schatz an Vorwürfen plötzlich und intensiv von der fabelhaften Tierwelt auf ein andres Gebiet über. Die künstlerische
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