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Volltext: Monatszeitschrift XIX (1916 / Heft 5, 6 und 7)

ERLIN. DIE FRAU ALS SAMMLERIN. „Was würden Sie am liebsten 
sammeln, gnädige Frau?" „Meine Kleider." ä Für die Psychologie der Frau als 
Sammlerin fand ich keine Antwort charakteristischer. Das Objekt des Sammelns bei der 
Frau gewinnt einen ganz anderen Zusammenhang mit den Lebensformen, ja sogar mit 
einzelnen Lebensereignissen. Die leitenden Ideen, die Gesichtspunkte treten in den Hinter- 
grund und ein starkes, persönliches Gefühl für die Schönheit des Lebens und eine zärtliche 
Anhänglichkeit für die schöne Erinnerung sind die beiden Triebe ihrer Liebe zum schönen 
Objekt. 
„Aus vergangener Zeit", Kleinkunst und Kunstgewerbe im Dienste der Frau (aus 
Privatbesitz) nannte sich eine Ausstellung im I-Iohenzollern-Kunstgewerbehaus (Fried- 
mann und Weber), die der Deutsche Lyzeumklub veranstaltet hatte. Auch diese Aus- 
stellung stand im Dienste der Nächstenliebe. Diese Schau der schönen Formen, der 
edlen Materiale und der „lieben kleinen" Sächelchen war für manche Berlinerin eine leise 
beschämende Offenbarung. Was Wien in stolzerer Pracht, in reiferer Tradition und natür- 
lichem Frohsinn hat leben und lieben können in der ersten Hälfte des XIX. Jahrhunderts, 
das zeigte hier das vozmärzliche Berlin seinen Nachfahren. 
Es zeigte hie und da ein Kleid und ließ mit dem kleinen Streumuster auf-cremefarbenem 
Grund und den Rüschen am kurzen Rock das ganze jugendliche mädchenhafte Ideal der 
damaligen Frau in uns lebendig werden. Doch sehr pietätvoll konnte man ja mit diesen 
Objekten in den Familien leider nicht umgehen; nur ein paar fürstliche Sammlerinnen 
können hier vortreten. Reicher ist die Wunderwelt der Spitze vertreten; vom kleinsten 
Kragelchen bis zum l-Iochzeitskleid der Prinzessin. Man wird den Zauber dieser Linien- 
spiele nie ganz mit der Analyse ihrer verschlungenen Geometrie, dem erlesenen Geschmack 
im Wechsel der Rhythmen, der Feinheit der Ausführungen erklären können. So bleibt 
immer jener Rest von traumverlorener Verliebtheit, die uns beim Rieseln des Baches über 
sein Gestein stundenlang beglücken kann. Heiterer und klarer werden die Beziehungen, 
wenn wir vor die kokette Reihe der Fächer treten, mit der hier ein männlicher Aussteller 
(Prinz Leopold Sohn) auftritt. Das Spiel beginnt und das Material in gestickter Seide und 
leichtester Spitze wechselt in den Sekunden des Entfaltens. 
Eine besondere Aufmerksamkeit fordern aber jene kleinen Sammlungen von Gegen- 
ständen, die versuchen, ein Stück Geschichte der Frau zu illustrieren. Die Sammlung der 
Toilettentischgegenstände vom Altertum bis zur Neuzeit, die Frau Frieda Hahn ausstellt, 
illustriert Zeiten und Rassen äußerst instruktiv. Über allen Gegensätzen aber bleibt doch 
die Frau mit ihren Wünschen. Noch reicher zeigt bei historischer Abfolge den bleibenden 
Wunsch des Gefallenwollens die sehr interessante Sammlung der Ohrringe, die Frau 
Professor Klingenberg zeigt. Wir sehen in Holland und im Turkestan die Ohrringe mit den 
Haubenbuckeln zusammengehen und allezeit das große Gehänge bevorzugen, das heute 
nur noch Staatsschmuck geworden ist. Mehr persönliche Beziehungen gibt uns wieder 
eine Riechilakonsammlung von Frau Steinthal und Frau Oppenheim, und die große Mannig- 
faltigkeit des farbigen Glases mit den silbernen oder goldenen Kapseln spiegelt sich auf den 
kleinen Taschenspiegelchen, mit denen zusammen sie sich im Handtäschchen versteckten. 
Von diesen historischen Sammlungen dürfte das größte Interesse die Scheren- und 
Fingerhutsammlung der Baronin Philipp Schey erregen. Auch mit diesenDingen treibt 
Amor sein Spiel, bald sind es bei den Scheren des XVI. und XVII. Jahrhunderts Paare, 
die in den beiden Griffen sich neckisch gegenüberstehen, oder im XVIII. Jahrhundert 
zierliche Blumenranken, die Amor zum Fang bereithält, und auf den reizenden Gold-, 
Silber- oder Lederhülsen hat das Schäferspiel größeren Raum zur Verfügung. Daß aber 
auch dieses Instrument den ganzen Mutwillen des XVIII. Jahrhunderts erfahren sollte, 
zeigen reizende Scheren mit PorzellangriEen und Porzellanhülsen. Der Zweckgedanke 
fand bei diesen Kavaliergeschenken noch kein Gehör. Ebenso entzückt in der sehr reichen 
Fingerhutsammlung die Reihe der Porzellanfmgerhüte in der Form von Bienenkörben, wo 
Zweck und Form ohne Abstraktion und Stilisierung launig zusammentrifft.
	        
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