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für die Tochter des Kaisers bestimmt und miißte dann gleichfalls noch im
Laufe des Jahres 1515 oder anfangs 1516 nach den Niederlanden abgegangen
sein. Während der Kongreßtage selbst hat Strigel meiner Ansicht nach nur
zwei von den eben besprochenen vier Gemälden vollendet: das Maximilian-
Porträt der Sammlung Figdor und das Einzelbildnis Ludwigs von Ungarn;
beide sind ohne Zweifel nach dem Leben gemalt. Die beiden andern Bilder
aber, das kleine Kaiserbild und das Gruppenporüät, erhielt er in Bestellung
und mag das erstere nach eigenen Skizzen (daraus erklären sich die geringen
Abweichungen vom Maximilian-Porträt der Sammlung Figdor), das letztere
aber auch mit Benutzung fremder Vorbilder wohl noch in Wien begonnen
haben, wo ihm speziell für das Familienbild die nötigen Behelfe eher zur
Verfügung standen als in Memmingen. Denn da handelte es sich ja zum
Teil darum, Persönlichkeiten darzustellen, die längst nicht mehr unter den
Lebenden weilten, wie Maria von Burgundi" oder Philipp der Schöne, und
auch von den Erzherzogen Karl und Ferdinand mußte sich der Meister ander-
weitig Bildnisse verschaffen, da sie nicht persönlich zum Kongreß gekommen
waren. Die Idee zu dieser ziemlich gekünstelten Komposition wird man jeden-
falls dem Kaiser selbst zuschreiben müssen, der nach dem endlichen Gelingen
seiner I-Ieiratspläne, wie Glück meint, i" „den Wunsch gehabt haben mag, die
Mitglieder der Familie, die zur Mehrung der Macht seines Hauses am meisten
beigetragen hatten und noch beitragen sollten, auf einem Bild vereinigt zu
sehen". So plausibel diese Erklärung erscheint, dürfte sie dennoch in dem
vorliegenden Falle nicht ganz das Richtige treffen. Denn nicht als Monument
pietätvollerErinnerung,nicht alsBeweis für den ausgeprägtenFamiliensinn des
Kaisers möchte ich dieses Bild auffassen, sondern als ein geschickt gewähltes
Requisit in jenem Meisterspiel der kaiserlichen Diplomatie, das in den Juli-
tagen 1515 in dem definitiven Abschluß der Doppelheirat seinen Triumph
über den so lange widerstrebenden ungarischen und polnischen Hof feierte.
Zu welchen Mitteln man damals griff, um sich die beiden Jagellonenkönige
willfährig zu machen, zeigt am besten die merkwürdige Urkunde vom
20. Juli 1515, in welcher Kaiser Maximilian den neunjährigen Ludwig von
Ungarn nicht nur als Sohn adoptierte und damit in die kaiserliche Familie
aufnahm, sondern ihn auch bei seinen Lebzeiten zum Generalreichsvikar und
nach seinem Tode zum Nachfolger in der Kaiserwürde ernannte."'"' Das
Gruppenporträt ist nun nichts anderes als eine Illustration zu diesem in der
Geschichte dynastischer Politik einzig dastehenden Dokument. Was die
i Das Bildnis Marias von Burgund im Gruppenporträt stimmt mit den uns bekannten Bildern der ersten
Gemahlin Maximilians I. nicht überein, dagegen verrät es eine ziemliche Ähnlichkeit mit den Zügen der zweiten
Gemahlin des Kaisers, Bianca Maria, die Strigel auf einem im Besitze des Rittmeisters O. von Spitzel beündlichen
Gemälde (Klassischer Bilderschau, herausgegeben von Reber und Bayersdorfer, Band X [Münchem Bruck-
mann 1898], Nr. 1413) in halber Figur gemalt hat. Wahrscheinlich stellt auch das Strigelsche Damenporträt im
Innsbrucker Ferdinandeum (Abbildung in der Festschrift des Münchener Altertumsvereines 1914, pag. 130)
die Kaiserin dar.
"i Die Galerien Europas, 6. Band, Nr. 470.
i" Vgl. iiber diese Urkunde Ulmann, Kaiser Maximilian I., Band 2 (Stuttgart 1891). pag. 550, und Liske
in den „Forschungen zur Deutschen Geschichte", Band 7, pag. 490 fl". Ein Abdruck dieser Urkunde findet sich
bei Pray, Epistolae procerum regni Hungariae, Pars I (Wien 1805), Nr. 49, pag. 49 bis 51.