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die Worte überliefertf die Maximilian bei dieser feierlichen Gelegenheit vor
dem Altare sprach: „Quanquam ego te uxorem meam fore dixi," sagte er zu
seiner jugendlichen Braut, „sequestraque iide tu mihi iuncta es, tarnen ut vel
Carolo, vel Ferdinando nepotibus nubas, sententia est: si vero neutri, tu mea
.uxor es." Es dauerte mehr als ein halbes Jahr, ehe sich infolge des ableh-
nenden Verhaltens Erzherzog Karls dessen Bruder Ferdinand entschloß,
den Großvater seiner lästigen Verpflichtung zu entheben und die ungarische
Prinzessin an seiner Statt zu ehelichen. Am 24. März I5r6 stellte Ferdinand
in Spanien eine Vollmacht zur Vornahme der Vermählung per procurationem
aus, und nachdem der Kaiser noch förmlich auf die Verbindung mit Anna
verzichtet hatte, kam es am 24. Juli 1516 in Wien zur Aufnahme des ordnungs-
mäßigen Vermäh-
lungsaktes." Man
kann darum sagen:
wenn Strigel durch
das Attribut des
Kranzes bereits
Ferdinand als Bräu-
tigam bezeichnet,
so ist damit zu-
gleich auch ein
terminus a quo für
die Datierung des
dinands vom 24.
März, beziehungs-
weise 24. Juli x5r6
Kenntnis davon
erhalten konnte,
wer eigentlich als
präsumtiver Gatte
Annas zu betrach-
ten sei.
Wie lange der
erste Besuch des
süddeutschen Mei-
sters in Wien ge-
Bildes gegeben,
weil Strigel eben
erst durch die for-
mellen Erklärun- In denMemminger
gen ErzherzogFer- Ratsprotokollen
fehlt sein Name zwischen März 1515 und März 15I6,:'"'il: doch dürfte er
sich kaum die ganze Zeit in Österreich aufgehalten haben. Aber er hatte
daselbst mit seinen letzten Arbeiten soviel Erfolg gehabt, daß er bald darauf
wieder einen Auftrag für Wien erhielt.
Es ist merkwürdig, daß eigentlich noch niemand auf den Gedanken
gekommen ist, den gegenwärtig im Straßburger Museum befindlichen „Tod
der Maria",1' auf welchem der Wiener Bischof Georg Slatkonia neben
der" Figur des Kaisers als Stifter erscheint (Abb. 4), mit einer Wiener Kirche
in Verbindung zu bringen, obwohl doch schon die Persönlichkeit des
genannten Kirchenfürsten wie auch die ganze Geschichte der Tafel deutlich
auf diese Stadt als ursprünglichen Bestimmungs-, wenn nicht Entstehungsort
hinweisen. Freilich ging das Gemälde lange unter dem Namen Dürers und
dauert hat, läßt
sich schwer sagen.
Abb. 5. Bernhard Strigel, Detail vom „Tode der
Maria" aus dem Schussenrieder Altar (Berlin,
Kaiser Friedrich-Museum)
' Vgl. Riccardus Banholinus' „Hodeporicon" bei Freher-Struve, Rerurn German. Scriptores, Tom. lI
(Straßburg 1717). pag. 657.
"i Ulrnapn, Kaiser Maximilian 1., Band 2, pag. 553.
r" Vischer im Jahrbuch der königlich preussischen Kunstsammlungen, Band VI, pag. 47.
-i- Verzeichnis des Kunstrnuseums der Stadt Straßburg, 3. Auflage (Straßburg xgog), pag. g, Nr. 1x a.