Daß sich der Kaiser, bevor er an Saurer schreiben ließ, bereits für einen
bestimmten Künstler entschieden und mit demselben alle näheren Details
besprochen hatte, ist wohl anzunehmen. Denn wenn er schon auf eigene
Kosten eine Tafel machen ließ, wird er die Wahl des Malers und den Gegen-
stand der Darstellung nicht dem Gutdünken seines Vitztums überlassen
haben, dem doch lediglich die Flüssigmachung des angewiesenen Betrages
oblag. Ebenso wahrscheinlich ist es, daß sich der Kaiser in Schwaben in
erster Linie an einen schwäbischen Meister gewendet hat, und wer schien
da eher zur Übernahme dieses für damalige Verhältnisse nicht schlecht
bezahlten Auftrages berufen denn der altbewährte Hofmaler Bernhardin
Strigel? Darum ist es sehr wohl möglich, daß der letztere noch während
Maximilians Anwesenheit in Memmingen oder eventuell später in Augsburg
die ersten Skizzen zu dem neuen Gemälde entworfen hat, bei welchem
selbstverständlich im Bildinhalt auf den Umstand Bedacht genommen wurde, _
daß die Hietzinger Kapelle der Jungfrau Maria geweiht war. Ein „Tod der
Maria", wie wir ihn auf dem Straßburger Bilde finden, war demnach ein
ganz passender Vorwurf für die vom Kaiser gestiftete Tafel, und es wird
dies mit Recht als eirier der Gründe angeführt werden können, die für
die Identität des Straßburger Marien-Todes mit dem für Hietzing bestellten
Altarbild sprechen.
Es soll hier aber auch gleich auf den gewichtigsten Einwand hingewiesen
werden, der gegen diese Annahme vorgebracht werden kann. Was hat, wird
man fragen, Bischof Slatkonia mit der Hietzinger Kapelle zu tun? Warum
hat der Maler ihn in den Vordergrund gestellt und mit allen Merkmalen des
Stifters ausgestattet, wenn doch in Wahrheit die Widmung der Tafel vorn
Kaiser ausging?
Zur Erklärung dieses in der Tat befremdenden Umstandes müssen wir
einen kleinen historischen Exkurs unternehmen und insbesondere die recht-
liche Stellung der I-Iietzinger Kapelle zum Bischof von Wien näher ins Auge
fassen.
Wie Dr. Pauker in seiner Monographie über die Pfarrkirche von Hietzing
(Wien 189g) an der Hand archivalischer Studien auf pag. 69 ff. darlegt,
gehörte die I-Iietzinger Kapelle ursprünglich dem Deutschen Orden, kam aber
im Jahre 1253 auf dem Tauschwege an das Stift Klosterneuburg, das von da
ab durch die Beistellung eines eigenen Beneüziaten für die ständige Auf-
rechterhaltung des Gottesdienstes sorgte. Es war im Jahre 1517, während
der Amtsführung des Benefiziaten Christian Wydmer, als ein heftiger Streit
zwischen dem genannten Stifte und dem Wiener Bistum wegen der Leben-
schaft und des Patronatsrechtes über die Kapelle in Hietzing ausbrach, der
dann auch auf die Frage der jurisdiktion und des Präsentationsrechtes
übergriff. Die Veranlassung dazu bot eine Urkunde Kaiser Maximilians
de dato Baden, I. Oktober 1517 (abgedruckt bei Pauker, 1. c., pag. 77), in
welcher dem Wiener Bischof Georg Slatkonia alle von den österreichischen
Herzogen im Laufe der Iahrhunderte an das Wiener Bistum überlassenen